Am 13. April 1919 fand im Punjab, in Amritsar, ein brutales Massaker mit knapp 400 Toten statt. Die Briten hatten im Vorfeld eine Ausgangssperre mit Schießbefehl verkündet, aber niemand rechnete damit, dass die, wohlgemerkt, vorwiegend aus Indern bestehende Armee, auf friedliche Menschen, darunter viele Kinder und Alte, schießen würde.Versammelt hatte sich die große Menge in dem zu allen Seiten von einer Mauer verschlossenen Park Jallinwallah Bagh. Hauptverantwortlicher war der Vize-Gouverneur des Punjab, Michael O'Dwyer. Befehlshabender Offizier war Colonel Reginald Dyer. Hauptweck war, ganz einfach formuliert, erzieherischer Terror durch die Verbreitung von Angst, damit die Menschen zu Hause bleiben und gehorchen.
1940 wurde der inzwischen nach England zurückgekehrte O'Dwyer von einem den Kommunisten nahestehenden Attentäter erschossen. Aus diesem Stoff hat Shoojit Sircar mit SARDAR UDHAM (2021) seinen bis jetzt besten Film gemacht. Lange hatte er diesen Film geistig in Planung. Sircars Filme sind ja sehr wechselhaft. Er ist am besten, wenn es um Klares, Ernsthaftes, Politisches geht wie in YAHAAN (2005), MADRAS CAFE (2013) oder OCTOBER (2018). Bei einem Film wie GULABO SITABO (2020) allerdings, mit seinem schwer verdaulichen skurrilen Humor, wird er sehr schnell gewollt, verkrampft, banal und, ohne auch nur ansatzweise komisch zu sein.
Beginnend mit der Entlassung Udham Singhs aus dem Gefängnis nach einigen Jahren Haft, wird die auf Tatsachen beruhende Geschichte dieses Attentäters erzählt, wobei man sich natürlich dramaturgische Freiheiten nimmt. Gezeigt werden die Auswirkungen dieses schicksalhaften Tages auf einen glücklich verlobten jungen Mann.
Er ist aber vor allem geprägt von aktiver politischer Arbeit, denn der Sikh Singh gehört ja zu den Kommunisten. Er ist Teil des Umfelds des Märtyrers des antibritischen Widerstands Bhagat Singh, der bekanntlich nicht mit einer Gefängnisstrafe davonkam, sondern am 23.3.1931 wegen der Ermordung eines Polizisten hingerichtet wurde. Alles bleibt ganz persönlich. Das Innenleben Udham Singhs ist hier ebenso wichtig wie die äußeren Ereignisse. Ideologischer Unterbau der revolutionären Handelns ist eine Grundlage. Die Beziehung zu Bagath Singh ist vor allem eine persönliche, freundschaftliche, bei der man sich auch gemeinsam betrinkt.
Am Ende steht er Aug in Auge mit dem Tod. Eine äußerst lange Rückblende, die die Details des Massakers zeigt, ist die Schlüsselszene. Es ist eine starke Szene, die an die Grenze des Erträglichen geht, eine bewusst lange Szene, die kein Ende zu nehmen scheint, sodass man es kaum noch aushält als Zuschauer. Man versteht Singhs persönliche Involviertheit in dieses Kolonialverbrechen. Er kümmert sich wie ein Bessener um Verletzte, transportiert sie mit einer Schubkarre weg, immer mehrere auf einmal. Eine Anwohnerin hilft, dann bringt er die Menschen in ein riesiges, restlos überfülltes Krankenhaus. Blut, Wunden, die Leichen und Verletzten liegen dicht beieinander und in engen Haufen zusammen.
Singh wird in London sogar Angestellter von O'Dwyer. Dieser gibt kein Wort des Bedauerns von sich. Er bemüht sich nicht einmal, eine Entschuldigung zu erfinden. Er ist überzeugt von der Tat, da sie ihren Zweck erreicht hat. Singh selbst zögert zunächst damit, zu töten. Er ist kein Killer, hat offensichtlich den Wunsch, den Verantwortlichen zu verstehen. Aber nach und nach sieht er das rettungslos Böse. Übrigens ja auch stellvertretend für die Zeit an sich. Den zeitlichen Rahmen bilden Radiosendungen, in denen es um Mussolini und Hitler geht.
Der stimmungsmäßig passende visuelle Rahmen wird durch eine abwechslungsreiche ausgeklügelte Nutzung von Licht und Schatten erzeugt, das ebenso weich-grell wie weich-weiß sein kann. Manchmal zerfasert es im Halbdunkel. Schneeweißes Licht fällt durch die Fenster der dunklen Räume. In Britannien, in Nordeuropa herrscht eine kühle Atmosphäre mit viel Schnee vor. Es berzeichnet die Abgründe, in denen der Revolutionär lebt, während der staatliche Mörder sich unter allen Umständen das Leben leicht macht.