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Mittwoch, 15. Juli 2020

EEB ALLAY OOO! – Affentheater

(Quelle: Indisches Filmfestival Stuttgart)

2018 ging es auch durch die Weltpresse, dass die indischen Regierungsgebäude in Delhi ein immer größer werdendes Affenproblem, genauer gesagt Makakenproblem, haben wegen der nahen Lage am Dschungel. Zu dem Problem der menschlichen Expansion in die Lebensbereiche der Tiere kommt leider auch die Verwöhnung und Fütterung durch Hindu-Gläubige. Denn wenn in einer Statue die Anwesenheit des Gottes möglich ist bei der Betrachtung, dann sind lebende Wesen natürlich etwas Besonderes, und in Indien gibt es schließlich den wichtigen Affengott Hanuman, ohne den Rama im Epos Ramayana vielleicht nicht seine entführte Sita vom bösen Raavan wiederbekommen hätte. Das Argument, dass es bei all dem eher um die Bedeutung der Tiersymbolik von Affe oder, im Falle von Ganesha, Elefant geht, und dass da keine echte Affengott-Gestalt irgendwann durch die Gegend gelaufen ist, hat dabei natürlich wenig Bedeutung, wenn die Menschen es nun mal glauben. Dennoch ist es ja nicht angenehm, wenn die Affen vor allem bei nächtlichen Spaziergängen durch offene Fenster Dokumente verwüsten in den Regierungsbüros.

Also hat man Männer eingestellt, die die Affen vertreiben sollen. Aber auf rücksichtsvolle Weise, damit weder die Tierschutzaktivisten noch die Religiösen Vorwand zum Protest haben. Und es soll mit Würde geschehen und nicht als auffälliges Affentheater. Was natürlich unmöglich ist. Und ein großer Teil von Prateek Vats' EEB ALLAY OOO! (2019), der als Eröffnungsfilm auf der coronabedingten Onlineversion des Indischen Filmfestival Stuttgart 2020 zu sehen war, führt uns das auf ziemlich amüsante Weise vor. Der Filmtitel gibt übrigens die drei wichtigsten Laute bei der Affenvertreibung wieder. Die Hauptfigur Anjani, gespielt von einem beeindruckenden Shardul Bharadwaj, ist gerade aus dem Land in die Stadt gekommen, ist aber von seinem neuen Job eindeutig überfordert. Er hat ein bisschen Angst und entwickelt einfach nicht die nötige Autorität, vor der die Affen kuschen. Aber selbst wenn – kaum ist man weg, kommen sie ja sowieso wieder. Dann wird er kreativ, versucht, seine Mängel mit intelligenten Methoden auszugleichen. Er stellt aggressive Languren-Fotos aus, denn vor denen fliehen die kleineren Affen. Er verkleidet sich als Langur und lernt, böse die Zähne zu fletschen. Aber alles erregt Protest und Anstoß bei der Bevölkerung, deren potentielle Gefährlichkeit man auch nicht unterschätzen sollte.

Aber EEB ALLAY OOO! liefert mehr als diese teilweise sehr witzigen Darstellungen. Mehr als eine anekdotische, amüsante Skurrilität. Und das gibt ihm allgemeine Bedeutung. Denn EEB ALLOY OOO! ist ein Film über Arbeit, über Arbeitsbedingungen, Arbeitslosigkeit, Arbeitssuche, und das meiste direkt unter dem Dach der Regierung. Man muss also nicht nach ganz unten gehen, um Probleme zu finden. Parallel zur Affengeschichte gibt es die Geschichte von Schwester und Schwager, die ihrem Verwandten vom Land unter die Arme greifen wollten, damit er was aus sich macht. Er ist der jüngste, etwas verwöhnte Sohn, der eigentlich nichts kann. Der Schwager wiederum ist beim Sicherheitsdienst der Regierungsgebäude und soll plötzlich eine Waffe tragen, ein dickes, schweres, unhandliches Gewehr, das die schwangere Ehefrau nicht im Haus habe will. Das alles ist eine präzise, treffende Darstellung der Wirklichkeit, ohne in deprimierende Betroffenheit zu versinken. Das ist heutzutage schon ein Wert an sich. Regierung, Menschen, Affen, Straße, Stadt, Dschungel, wer will, kann in dem Film auch nach vielfältigen Beziehungen und Metaphern suchen. Kann man, wenn man will. Es ist durchaus da. Aber das Schöne ist, dass der Regisseur es dem Zuschauer nicht aufzwängt.

Am Ende löst der Film sich dramaturgisch ein bisschen auf, ebenso wie die Hauptfigur. Und irgendwie wirkt es ein bisschen ratlos, irgendwie zu aprupt im Vergleich zum ausgefeilten stärkeren Hauptteil des Films. Anjanis Freund und Kollege Mohinder wurde vom Mob umgebracht, weil er aus Versehen einen Affen tötete, was man sich bei dieser Figur gar nicht vorstellen kann. Das wäre eher ein Ende für Anjani gewesen. Anjani verschenkt dann die Waffe seines Schwagers, was idiotisch ist, da es Regierungseigentum ist und der Schwager Ärger kriegen oder entlassen wird. Warum sollte Anjani diesem das, und wenn auch unter Einfluss von Alkohol oder Drogen, antun? Jedenfalls könnte sich die Prophezeihung seines korrupten Ex-Chefs erfüllen: Er wird als Bettler auf den Straßen enden. Ein bisschen wie die Affen also. Sein Herumlaufen im Languren-Kostüm ähnelte schon improvisiertem Straßentheater. Am Ende gesellt er sich bei Feierlichkeiten zu den verkleideten und geschminkten Menschen-Affen, tanzt mit. Man sieht einen Dämon, dahinter Anjanis dämonisches Grinsen im geschwärzten Gesicht.


 (Quelle: Indisches Filmfestival Stuttgart)