(Quelle: Indisches Filmfestival Stuttgart)
2018 ging es auch durch
die Weltpresse, dass die indischen Regierungsgebäude in Delhi ein
immer größer werdendes Affenproblem, genauer gesagt Makakenproblem,
haben wegen der nahen Lage am Dschungel. Zu dem Problem der
menschlichen Expansion in die Lebensbereiche der Tiere kommt leider
auch die Verwöhnung und Fütterung durch Hindu-Gläubige. Denn wenn
in einer Statue die Anwesenheit des Gottes möglich ist bei der
Betrachtung, dann sind lebende Wesen natürlich etwas Besonderes, und
in Indien gibt es schließlich den wichtigen Affengott Hanuman, ohne
den Rama im Epos Ramayana vielleicht nicht seine entführte Sita vom
bösen Raavan wiederbekommen hätte. Das Argument, dass es bei all
dem eher um die Bedeutung der Tiersymbolik von Affe oder, im Falle
von Ganesha, Elefant geht, und dass da keine echte Affengott-Gestalt
irgendwann durch die Gegend gelaufen ist, hat dabei natürlich wenig
Bedeutung, wenn die Menschen es nun mal glauben. Dennoch ist es ja
nicht angenehm, wenn die Affen vor allem bei nächtlichen
Spaziergängen durch offene Fenster Dokumente verwüsten in den
Regierungsbüros.
Also hat man Männer
eingestellt, die die Affen vertreiben sollen. Aber auf
rücksichtsvolle Weise, damit weder die Tierschutzaktivisten noch die
Religiösen Vorwand zum Protest haben. Und es soll mit Würde
geschehen und nicht als auffälliges Affentheater. Was natürlich
unmöglich ist. Und ein großer Teil von Prateek Vats' EEB ALLAY OOO! (2019), der als Eröffnungsfilm auf der coronabedingten Onlineversion des Indischen Filmfestival Stuttgart 2020 zu sehen war,
führt uns das auf ziemlich amüsante Weise vor. Der Filmtitel gibt
übrigens die drei wichtigsten Laute bei der Affenvertreibung wieder.
Die Hauptfigur Anjani, gespielt von einem beeindruckenden Shardul
Bharadwaj, ist gerade aus dem Land in die Stadt gekommen, ist aber
von seinem neuen Job eindeutig überfordert. Er hat ein bisschen
Angst und entwickelt einfach nicht die nötige Autorität, vor der
die Affen kuschen. Aber selbst wenn – kaum ist man weg, kommen
sie ja sowieso wieder. Dann wird er kreativ, versucht, seine Mängel
mit intelligenten Methoden auszugleichen. Er stellt aggressive
Languren-Fotos aus, denn vor denen fliehen die kleineren Affen. Er
verkleidet sich als Langur und lernt, böse die Zähne zu fletschen.
Aber alles erregt Protest und Anstoß bei der Bevölkerung, deren
potentielle Gefährlichkeit man auch nicht unterschätzen sollte.
Aber EEB ALLAY OOO!
liefert mehr als diese teilweise sehr witzigen Darstellungen. Mehr
als eine anekdotische, amüsante Skurrilität. Und das gibt ihm
allgemeine Bedeutung. Denn EEB ALLOY OOO! ist ein Film über Arbeit,
über Arbeitsbedingungen, Arbeitslosigkeit, Arbeitssuche, und das
meiste direkt unter dem Dach der Regierung. Man muss also nicht nach
ganz unten gehen, um Probleme zu finden. Parallel zur Affengeschichte
gibt es die Geschichte von Schwester und Schwager, die ihrem
Verwandten vom Land unter die Arme greifen wollten, damit er was aus
sich macht. Er ist der jüngste, etwas verwöhnte Sohn, der
eigentlich nichts kann. Der Schwager wiederum ist beim
Sicherheitsdienst der Regierungsgebäude und soll plötzlich eine
Waffe tragen, ein dickes, schweres, unhandliches Gewehr, das die
schwangere Ehefrau nicht im Haus habe will. Das alles ist eine
präzise, treffende Darstellung der Wirklichkeit, ohne in
deprimierende Betroffenheit zu versinken. Das ist heutzutage schon
ein Wert an sich. Regierung, Menschen, Affen, Straße, Stadt,
Dschungel, wer will, kann in dem Film auch nach vielfältigen
Beziehungen und Metaphern suchen. Kann man, wenn man will. Es ist
durchaus da. Aber das Schöne ist, dass der Regisseur es dem
Zuschauer nicht aufzwängt.
Am Ende löst der Film
sich dramaturgisch ein bisschen auf, ebenso wie die Hauptfigur. Und
irgendwie wirkt es ein bisschen ratlos, irgendwie zu aprupt im Vergleich zum ausgefeilten stärkeren Hauptteil des Films.
Anjanis Freund und Kollege Mohinder wurde vom Mob umgebracht, weil er
aus Versehen einen Affen tötete, was man sich bei dieser Figur gar
nicht vorstellen kann. Das wäre eher ein Ende für Anjani gewesen.
Anjani verschenkt dann die Waffe seines Schwagers, was idiotisch ist,
da es Regierungseigentum ist und der Schwager Ärger kriegen oder
entlassen wird. Warum sollte Anjani diesem das, und wenn auch unter
Einfluss von Alkohol oder Drogen, antun? Jedenfalls könnte sich die
Prophezeihung seines korrupten Ex-Chefs erfüllen: Er wird als
Bettler auf den Straßen enden. Ein bisschen wie die Affen also. Sein
Herumlaufen im Languren-Kostüm ähnelte schon improvisiertem
Straßentheater. Am Ende gesellt er sich bei Feierlichkeiten zu den
verkleideten und geschminkten Menschen-Affen, tanzt mit. Man sieht
einen Dämon, dahinter Anjanis dämonisches Grinsen im geschwärzten Gesicht.
(Quelle: Indisches Filmfestival Stuttgart)