Wie dreht man mit MISSION
MANGAL (2019) einen kurzweiligen 2-Stunden-Film über die
erfolgreiche Mars-Satelliten-Mission der indischen Raumfahrtbehörde
IRSO (Indian Space Research Organisation) im Jahre 2013, bei der es einmal um einem Haufen bürokratischer Streitigkeiten und dann vor allem um
mathematische und naturwissenschaftliche Details geht. Wie mache ich
alles leichter und kleiner? Wie verbrauche ich weniger Treibstoff?
Die Wirklichkeit muss eine detektivisch-akribische Kleinarbeit gewesen sein,
die vermutlich spannender war als alles, was der Film erzählt. Aber
ein Mainstream-Film, ein „Familien-Blockbuster“, wie es in der
Werbung lautet, kann natürlich nur die Oberfläche streifen, sodass
es, im wahrsten Sinne des Wortes, jedes Kind versteht. Wobei man
sagen muss, dass der Film ganz gut darin ist, die Erklärungen und
Zusammenhänge unterhaltsam zu vermitteln. Ein Kompliment an die
Drehbuchautoren, darunter Regisseur Jagan Shakti und der allseits
bekannte R. Balki.
Vor allem zeigt man das
Privatleben der Wissenschaftler, tatsächlich Menschen wie du und
ich, von jedem so ein kleines Mosaiksteinchen. Taapsee Pannu kann
nicht Auto fahren. Sonakshi Sinha muss morgens rechtzeitig die Männer
aus dem Schlafzimmer werfen, damit die Reinmachefrau keinen
moralischen Herzanfall bekommt. Eine andere, Moslemin, bekommt wegen
ihres Namens keine Wohnung vermietet. Nur der Leiter des Teams,
Akshay Kumar, hat kein Privatleben. Er ist mit seinem Beruf
verheiratet. Soll es ja auch geben. Bloß über die von Vidya Balan
gespielte Frau und ihre Familie erfährt man etwas mehr. Und wenn dann das
Forscherteam mit schmalem Budget einfallsreich sein muss, kommt die
Inspiration oft aus eben diesem Privatleben, aus den Erfahrungen des
täglichen Haushalts. Das sind dann Lösungen, über die manch
gestandener Bürokraten-Mann erst einmal lacht, die aber rückwirkend
betrachtet so einfach und augenfällig erscheinen, dass man sich
besorgt fragt, warum noch niemand vorher darauf gekommen ist.
Vielleicht sorgt zu viel Geld ja für gedankliche Bequemlichkeit.
Und deshalb erzählt der
Film uns, dass es kein Unmöglich gibt. Mir hat das übrigens vor
langer Zeit der große amerikanische Filmregisseur Allan Dwan beigebracht,
der in dem empfehlenswerten Interviewbuch „The Last Pioneer“ eine
lehrreiche Anekdote erzählt. Bei Stummfilmdreharbeiten in der Prärie
übernachtete er einmal im Haus eines Pfarrers, dessen Frau eine
brillante Köchin war. Als sie ihn fragte, wie er sein Frühstücksei
wolle, sagte er, vermutlich etwas aus Übermut, „halb gekocht, halb
gebraten“. Aber das ist es, was er bekam. Die Dame kochte ein
weiches Ei, schnitt ein Ende auf, ließ etwas herausfließen und
briet es. Der Rest blieb gekocht. Und so aß er sein Ei, wie
gewünscht, „halb gekocht, halb gebraten“. Dwan sagte: „Damit
übertrumpfte sie Christopher Columbus. Und es lehrte mich, dass
nichts unmöglich ist. Wann immer ich auf ein schweres Problem stoße,
denke ich an dieses Ei.“ Da ich jetzt eh schon abschweife,
interessiert es die Freunde der Wissenschaftsgeschichte vielleicht,
dass Dwan ursprünglich Ingenieur und bei der Peter Hewitt
Company in Chikago Mitentwickler der Quecksilberdampflampe war, die
man dann auch beim Film einsetzte und die der Vorläufer der
Neonlampe war.
Aber diese Art, an
Probleme heranzugehen, ist natürlich eine besondere Haltung, eine halb
instinktive, halb intellektuelle Einstellung, die mit bürokratischem
Dienstabreißen in einer staatlichen Behörde nicht zu verbinden ist.
Deshalb geht es in dem Film auch um Motivation. Und an dem Punkt wird
der Satellitenfilm zum Sportfilm. Mannschaftssport natürlich. Die
Beispiele aus dem Sport, die hier in Dialogen gebraucht werden, sind
nicht zufällig. Es geht um ein Team aus begabten, aber hauptsächlich
jungen und unerfahrenen Leuten, denen keiner etwas zutraut, die aber
ihr wahres Potential entdecken. Im Film wird als sportliches
Gleichnis der indische Gewinn des Cricket World Cup im Jahre 1983
genannt. Patriotismus ist hier natürlich auch eine Motivation, denn
man macht es nicht allein für sich. Und irgendwie spricht der Film
gleichzeitig auch immer das Kinopublikum an. Und wird dadurch auch zum
Werbefilm.
Ein Werbefilm für die
Raumfahrt und die Wissenschaft allgemein und vor allem für Frauen in
den Wissenschaften, denn das Team besteht vornehmlich aus Frauen. Es
geht um Begeisterung für die Wissenschaft, um weibliche Begeisterung
für die Wissenschaft. Deshalb sollte dieser Blogbeitrag auch erst
„Frauen auf den Mars“ heißen, aber dann begann ich zu
befürchten, dass man das missverstehen könnte. Und das passiert
heutzutage so schnell. Und es geht um junge weibliche Begeisterung.
Und wenn die deutschen Unis mal wieder Programme zu „mehr Mädchen
in Physik“ oder so was machen, sollten sie einfach diesen Film
zeigen. In seiner Wirkung ist er sehr überzeugend und funktional.
Obwohl man dann natürlich fürchten muss, dass plötzlich alle
später nach Indien wollen. Wegen fehlender Möglichkeiten
hierzulande.
Dabei wäre es ja irgendwie schön, wenn man sich in
Deutschland mal ganz praktisch für etwas anderes begeistern könnte
als für den Temperatur-Weltuntergang. Dann würden die Rezepte
dagegen vielleicht auch nicht so fürchterlich den brillanten
Methoden gegen radioaktiven Fallout in den 1950ern ähneln: Buch über
den Kopf und unter den Tisch kriechen. In MISSION MANGAL braucht man keine "Klimawandel-Ersatzreligion für eine atheistische Gesellschaft", wie jemand es vor Jahren schön ausgedrückt hat. In MISSION MANGAL existieren durch die Figur von Vidya Balan und das, was sie darüber sagt, Gott und Wissenschaft ganz selbstverständlich und problemlos miteinander und nebeneinander. Deshalb kann man sich mit wichtigen Dingen beschäftigen. Gestern stand noch in Welt Online, dass
Deutschland bei Raumfahrt nur noch dumm zuguckt. Jetzt könnte man
natürlich sagen, dass das sehr philosophisch und weise ist, denn an
sich wird die Menschheit durch Raumfahrt nicht glücklicher. Leider
ist es aber doch viel eher eine deutsche stupide Trägheit und Verblödung, die es
früher nicht gab und die seltsamerweise nur wenigen unheimlich vorkommt. Jetzt bin ich wieder abgeschweift... Aber zu MISSION
MANGAL gibt es einfach nicht viel mehr zu sagen. Der Film ist
sympathisch und macht Spaß. Das reicht doch schon.