Eine der größten Stars des Karnataka-Kinos, Puneeth Rajkumar (1975-2021), starb überraschend im Oktober 2021 mit nur 46 Jahren an einem Herzinfarkt, der ihn wie aus dem Nichts attackierte. Noch in der Ambulanz auf dem Weg ins Krankenhaus verschied er. Trotz seines doch relativ jungen Alters hatte der Schauspieler aus dem Bundesstaat Karnataka eine beachtenswert lange Karriere hinter sich, denn schon als kleines Kind, ja, im Grunde als Baby, hatte er gelernt, sich gekonnt, mit Routine und Kreaktivität, vor der Kamera zu bewegen. Der Powerstar "Appu“ war nicht nur bei den Massen beliebt, er wurde auch mit Preisen ausgezeichnet.
Der Kannada-Film JAMES (2022) ist damit sein unbeabsichtigtes Abschiedswerk geworden, ein abwechslungsreicher, bunt aufgedrehter Schwanengesang, geschrieben und inszeniert von Chethan Kumar. Ein Werk mit vollen, gut geplanten Knallbonbonboneffekten, wie ein Best of von Rajkumars Können wirkend. Auf jeden Fall würdig eines Stars. Das geht von leicht-lockeren Tanzschritten bis zum irrealen Kampf in schwerer Uniform gegen eine Übermacht an Gegnern. Da zeigt sich mal wieder, dass man besonders in Südindien äußerst ansprechende Filme auch ohne zusammenhängende Handlung drehen kann, dass dabei weitaus Spannenderes und Besseres herauskommen kann, als wenn man sich auf eine pseudo-anspruchtsvolle Weise in eine leblose Story quetscht, so wie das etwa der Hindi-Film RADHE mit Salman Khan macht, wobei dann doch mit einem Auge auf die Kritik geschielt wird. Es kommt bei allem nur auf die richtige Haltung hat. Die Schauspieler, die Action, die einfallsreichen Einstellungen und die Farben sind in JAMES zu einer sehenswerten, mitunter mitreißenden Mischung verbunden. Die nahe liegende Gefahr eines ungenießbaren Breis wird geschickt und gekonnt vermieden.
Abwechslungsreich ist das Ganze auch noch. Es beginnt wie ein gemütlicher Familienfilm, um in wilden Massakern zu enden. Da bevölkern am Ende die Toten den Fußboden. Mal abgeschlachtet von Rajkumar, diesem Supersoldaten, mal ermordet von den Bösen, die wie aus dem Nichts auftauchen und es ist sicher keine Schande zuzugeben, dass man sehr schnell den Überblick bei JAMES verlieren kann, wenn man ihn denn je bekommt.
Aber dieses Videospielprinzip der ständig neuen Figuren sorgt jedenfalls für ständigen Nachschub an Personal und für Abwechslung. Und immer geht es in dieser wild cartoonesken Actionwelt ganz anderes weiter, als man gedacht hat. Man kann wie gesagt also nicht gerade behaupten, dass man hier eine nacherzählbare Story vorfindet, aber gerade diese dramaturgische Leere und Beliebigkeit erlaubt es dem Film, seine Qualitäten unverkrampft zu entfalten. Es wirkt nie müde routiniert, sondern als würden die Beteiligten gerade das freie Filmemachen nur für die Massen entdecken. Da weht eine unterhaltende Frische durch das ganze Projekt, die man gerne öfter auf der dicken Filmfan-Haut spüren würde. Und besonders aus westlicher Perspektive hat das Ignorieren klassischer dramaturgischer Regeln etwas Angenehmes und Anziehendes. Da vergisst man gerne alle cinephilen Werte und Ansprüche.