Auf dem Cover der
März-Ausgabe von Filmfare ist Sara Ali Khan, Tochter von Saif Ali
Khan und Amrita Singh, Stieftochter von Kareena Kapoor Khan und
Enkelin von Sharmila Tagore, der mehrfachen
Satyajit-Ray-Darstellerin, die sogar Filmintellektuelle mit
Bollywood-Ignoranz kennen. "A Sar is born" wird verkündet. Und Chefredakteur Jitesh Pillai schreibt
ein lobpreisendes Editorial auf eine junge Dame, die er als sich in
der Filmwelt bewegender Journalist hat groß werden sehen. Man
kennt sich, man mag sich, man fördert sich. Da kann man natürlich,
ganz im Sinne der schimpfenden Kangana Ranaut, sagen, dass Sara es
ohne Nepotismus nicht so leicht gehabt hätte. Und das gibt sie auch
unverblümt zu. Nepotismus ist Vetternwirtschaft, und die bleibt eben
nicht aus, wenn alle miteinander bekannt, verwandt und verschwägert
sind. Aber jedenfalls funktioniert es inzwischen auf die einzige Art,
auf die Nepotismus existieren sollte: ganz öffentlich und ungeniert.
Keiner spielt mehr ahnungslos. Ich kann mich an das eine
oder andere Interview erinnern, wo man noch ganz unschuldig so getan
hat, als wüsste man nicht, wovon die Rede ist, vermutlich mit
großen, erstaunten Augen. Vielleicht auch mit ein Erfolg von
Kangana. Jedenfalls wird Sara Ali Khan auf dem Cover zum neugeborenen
Star erklärt. So was macht man natürlich nicht bloß aus
Nächstenliebe. Denn eine Zeitschrift wie Filmfare lebt vom Startum.
Und man braucht immer wieder neue Sterne am Filmhimmel. Ein ganzes
Heft nur mit Interviews mit Regisseuren würde vermutlich nicht auf
zu großen Anklang stoßen. In dieser Ausgabe ist übrigens nicht ein
einziges, was ich dann wieder sehr schade finde.
Aber natürlich ist Sara
Ali Khan noch kein Star, wie das Titelblatt behauptet. Selbst sagt
sie etwas Schönes über das Starsein von heute, denn man könnte sie
auf Instagram bei allen möglichen Dingen sehen und dabei auf dem Klo
sitzen: „Wo ist das Startum?“ Einerseits stimmt das. Alles ist
öffentlich. Ohne Unterschiede. Das Geheimnis existiert nicht mehr.
Andererseits hat man auch früher schon Zeitungen und Zeitschriften
auf dem Klo gelesen. Jedenfalls handelt es sich bei ihr also um eine
offensichtlich intelligente junge Frau, die bisher in zwei Filmen in
Erscheinung getreten ist: KEDARNATH (2018) mit Sushant Singh Rajput
und SIMMBA (2019) mit Ranveer Singh, wo sie mehr oder weniger bloß
anwesend ist. Ersteren kenne ich nicht. Also lasse ich jeden
Kommentar zu ihrem Talent, das sie aber nach allgemeiner Aussage in
KEDARNATH zeigt. Angefangen hat sie als Einserstudentin mit einem
Abschluss an der Columbia University. Dann veränderte sie sich von
der gut genährten Intellektuellen (96 kg) in eine
Schauspielerin mit viel Ehrgeiz (55 kg). Und sie gibt einen
guten Haarpflegetip: Zwiebeln. Dass sie auf dieses Pflegemittel beim
Dreh ihrer beiden Filme nicht verzichtet hat, sehr zum Leidwesen
ihrer beiden Filmpartner, zeugt dann aber doch von einem gewissen
angeborenen Starbewusstsein. Das nennt man dann wohl blaues
Bollywood-Blut.
Das Schönste an diesem
Heft sind aber drei Interviews über langlebige und immer noch aktive
Karrieren, darunter meine Lieblingsrubrik Nostalgie, diesmal mit
Shubha Khote, die schon in den 50ern drehte, darunter auch PAYING
GUEST (1957) mit Nutan und Dev Anand. Doch das war noch eine ernste
Rolle. Es zog sie langfristig zur Komödie. PAYING GUEST hat sie erst
spät im Alter geguckt, weil sie sich nicht in einer bösen Rolle
sehen wollte. Sie spielt da nämlich den Vamp. Ihr
Lieblingsschauspieler ist James Dean. Und sie vergöttert Dilip
Kumar. Der legte einmal seine Hand auf ihren Kopf. Danach hat sie
sich tagelang die Haare nicht gewaschen, sehr um Unwillen der Mutter,
einer offensichtlich energischen und autoritären Frau, die später dann am liebsten die Hochzeit der Tochter verhindert hätte. Hat sie
aber nicht geschafft. Dann ist der immer noch höchst erfolgreiche
Anil Kapoor dabei, der jetzt in kurzem Abstand zwei Filme ins Kinos
bringt, bei denen er alte Bekanntschaften erneuerte. Einmal die
Vidhu-Vinod-Chopra-Produktion EK LADKI KO DEKHA TOH AISA LAGA (2019),
in der er zum ersten Mal mit seiner Tochter Sonam Kapoor arbeitet.
Und TOTAL DHAMAAL (2019) mit Madhuri Dixit. Beide bilden eines meiner
Lieblingstraumpaare. Aber das sieht Anil Kapoor selbst auch so: „Oh
Gott, unsere Chemie. Mit ihr zu arbeiten ist so besonders.“ Und
schließlich ein Gespräch mit dem gerade mit dem Nationalpreis Padma
Shri ausgezeichneten Manoj Bajpayee, den man hier bei uns am ehesten
aus Anurag Kashyaps GANGS OF WASSEYPUR (2012) kennt. Er hat es sich
in seiner Karriere nicht leicht gemacht, hat immer nur nach seinen
Regeln gespielt. Da gab es natürlich auch Tiefen, die andere
Schauspieler in den Selbstmord getrieben hätten, meint er. Die
schönste Aussage kommt am Ende: „Ich bin extrovertiert, wenn es
nötig ist. Ich bin gerne in meiner Schale.“
Klatsch und Mode bieten
wieder eine bunte Mischung. Varun Dhawan plant mit Aanand L. Rai,
Deepika Padukone mit Meghna Gulzar und Shah Rukh Khan dreht doch
keine Astronauten-Biografie, wo doch ZERO (2018) mit seinem
Space-Szenen so daneben ging. Dafür gibt es vielleicht DON 3. Das
klingt solider und handfester und ambivalent. Die Modeseiten, da geht
es diesmal viel um Farben. Grünes Ohrgehänge, Deepika in Schwarz
und Weiß, Schauspielerinnen in Rot und dann die eine Seite zum
Weglaufen: Shirts und Hemden mit alternativen Ärmeln. Als Bespiele
Shraddha Kapoor und Katrina Kaif. Ich möchte weggucken, starre aber
verstört hin. Es fällt also auf und man guckt hin. Ziel erreicht.
Außerdem gibt es im Heft eine Fotostrecke mit Vicky Kaushal, der
gerade einen großen Erfolg mit URI: THE SURGICAL STRIKE (2019)
hatte. Der Film hat noch zu zwei weiteren Interviews geführt. Eins
mit Mohit Raina, der als Lord Shiva in einer TV-Serie bekannt wurde.
Und eins mit Yami Gautam. Dann ist im Heft ein skurril ausgefüllter
Fragebogen mit Jim Sarbh, dem schwulen Herrscherberater aus Bhansalis
PADMAAVAT (2018). Außerdem Meiyang Chang, der Zahnarzt chinesischer
Abstammung ist und dann Sänger wurde und jetzt auch in Bollywood
tätig ist. Und schließlich ist Emraan Hashmi im Heft, der mit WHY
CHEAT INDIA (2019) unter die Produzenten gegangen ist und ein Buch
über die Krebserkrankung seines kleinen Sohnes geschrieben hat, der
alles überstanden zu haben scheint. Erschienen ist es jetzt als
Taschenbuch und heißt: „Kiss of Life: How a Superhero and My Son
defeated Cancer“. Es ist auch hier erhältlich und kostet momentan etwa 15€.