Einen großen Teil der
April-Ausgabe von Filmfare nehmen die „Tea Valley Filmfare Glamour & Style Awards“ ein, wozu es haufenweise Fotos und eine endlose
Präsentation der Gewinner gibt. Hübsch anzugucken, schnell von mir
durchgeblättert, und die kurzen Texte habe ich gar nicht erst
gelesen. Irgendwie ist das Internet so voll von Bildern, dass ich bei
einer Zeitschrift am liebsten echte Informationen und längere Texte
habe. Aber die gibt es natürlich auch. Das Interessanteste diesmal
sind drei Interviews, die hintereinander im Heft sind. Einmal die
beiden, getrennt geführten, mit den auf einer Erfolgswelle reitenden
Alia Bhatt und Varun Dhawan, die ganz „Heiß! Heiß“ Heiß“ auf
dem Titelblatt zu sehen sind, weil die Premiere der Großproduktion KALANK – EWIGE LIEBE (2019) vor der Tür steht. In diesem Schwarzweißstil mit
ölig-nassen Haaren sind auch die anderen Bilder. Ich find's eher
niedlich als heiß, aber das bedeutet vermutlich bloß, dass ich nicht
zur Zielgruppe gehöre. Also keine weiteren Kommentare dazu. Direkt danach
kommt ein Interview mit Govinda, einem großen Star der 90er mit
Karriereproblemen.
Für das Interview mit
Alia Bhatt hat sich Chefredakteur Jitesh Pillaai höchstpersönlich
an die Arbeit gemacht. Ein interessantes Gespräch über die letzte
arbeitsintensive Zeit mit drei Filmen gleichzeitig, wobei sie sich
wie ein Roboter gefühlt hat. Danach Plauderei über Privates,
immerhin ist sie mit Ranbir Kapoor zusammen, der ja schwierig sein
soll, wie Pilaai laut vermutet. Aber da kommt die schöne Antwort:
„Ranbir ist nicht schwierig. Er ist ein Juwel.“ Und geheiratet
wird erst mal nicht. Sagt sie. Übrigens gibt es schon im Vorwort von
Pilaai ein Loblied auf Bhatt und Dhawan und ihre Entwicklung. Ich
frage mich, ob er den beiden damit wirklich einen Gefallen tut. Und ich frage mich
auch in dem Zusammenhang, ob es vielleicht genau dieses Heft ist, was
wieder einmal den Zorn von Kangana Ranaut erregt hat. Bekanntlich
regt sie sich an sich gerne auf und beschimpft und kritisiert
Kollegen aus der Industrie, vermutlich in der Hoffnung, dass sie
zurückschimpfen. Jetzt hat sie wieder einmal das Verhätscheln von
Filmindustrie-Kindern beklagt. Dass Filmfare das mit diesem Heft tut,
kann man nicht leugnen. Das war schon in der letzten Ausgabe mit Sara
Ali Khan auf dem Titel so. Andererseits schreibt Filmfare genauso begeisterte,
honigsüße Artikel über andere, die die Redaktion mag. In der
Februar-Ausgabe war das Vidya Balan, die nun wirklich kein Film-Kind
ist. Aber wie dem auch sei, warum nur macht Ranaut gleichzeitig Alia
Bhatts Leistung in Zoya Akhtars GULLY BOY (2019) als „mittelmäßig“
nieder? Und was heißt überhaupt Leistung in dem Zusammenhang, als
wäre es messbar? Natürlich ist es keine grandiose
Ich-spiele-alle-anderen-an-die-Wand-Leistung. Alia Bhatt stellt sich
hundertprozentig in den Dienst des Films. Sie ist absolut perfekt,
ist natürlich, überzeugend und ohne falsches Ego. Und was
„overacting“ ist, weiß sie gar nicht. Das hat sie gar nicht in
ihrem System. Und deshalb ist sie in GULLY BOY großartig. Wäre ich
Regisseur, ich würde mit ihr arbeiten wollen, und das sehen auch die
Großen in Indien so, darunter zwei meiner Lieblingsregisseure,
Bhansali und Rajamouli. Ich freu mich drauf.
Eine Sache über Alia
Bhatts Karriere, die ich bisher nicht wusste, erfährt man im
Interview mit Varun Dhawan, der vor Energie überzuquellen scheint
und unendlich viel vor hat, sowohl im Bereich Massenunterhaltung, dem
Arbeiten mit digitaler Technik als auch bei anspruchsvollen Filmen.
Die beste Nachricht für mich: Er wird wieder mit Sriram Raghavan
arbeiten. Er macht aus seinem Herzen grundsätzlich keine
Mördergrube. Und da erwähnt er, dass Karan Johar tatsächlich
gezweifelt hat, ob er Alia Bhatt für STUDENT OF THE YEAR (2012)
nehmen sollte, aber Dhawan war sich sicher, dass aus dem Mädchen mal
etwas Großes werden würde. Ganz ehrlich, ich hab es nicht gesehen.
In STUDENT OF THE YEAR war einmal Sidharth Malhotra, der ganz
offensichtlich ein guter Schauspieler war und ist, wenn auch
vielleicht nicht der große Massenheld. Und bei Bhatt und Dhawan
hatte ich einfach nur das Gefühl, sie wären nach Typ besetzt
worden. Bei ihr musste erst Imtiaz Alis HIGHWAY (2014) kommen, damit
ich meine Meinung änderte. Bei ihm war es Sriram Raghavans BADLAPUR
(2015).
Direkt danach, und das
ist passend, ein Interview mit Govinda, der einen Haufen Filme mit
Varuns Papa David gedreht hat und diesem einst sogar zum Durchbruch
verholfen hat. Jetzt dreht der sich weg, wenn er seinen alten Star
sieht. Es ist interessant, ein Interview zu lesen mit einem Star im
Karrieretief, so direkt nach den Gesprächen mit Zweien, bei
denen nicht abzusehen ist, wie weit es noch nach oben gehen
könnte, wenn es denn weiter nach oben geht. Bei Govindas letztem Film gab es Schwierigkeiten, und er und
der Regisseur vermuten, dass es kein Zufall, sondern eine Intrige
war, dass die Zensurbehörde erst einmal die Freigabe verweigerte und
es dann nicht genug Leinwände gab, um das Werk unter die Leute zu
bringen. Das vierte und letzte große Gespräch ist mit Badhshah, dem
Musiker und Sänger, der schon viel für Filme gearbeitet hat und
Schauspielambitionen hat, auch wenn er bis jetzt alle Angebote
abgelehnt hat, auch eines von Karan Johar, mit dem er sich immer über
Mode unterhält. Ein nettes Interview, wo ich dann mal systematisch
gleichzeitig die Songs, die erwähnt werden, kontrolliert habe auf YouTube und immer wieder
bei bekannten Videos und Filmbildern dachte: Ach, das Lied ist von dem ...
Natürlich gibt es wie in
jeder Filmfare-Ausgabe auch News, etwas Beziehungsklatsch, neue
Projekte, das meiste war schon im Internet. Deshalb picke ich nur
eine Sache raus, die mich am meisten freut: Bhansali wird ein Biopic
über Sahir Ludhianvi drehen, den großen Urdu-Dichter, dessen
bekannteste Arbeit die Texte zu den Liedern in Guru Dutts PYAASA (1957) ist.
Ludhianvi hatte eine komplizierte Beziehung zu Frauen, und war
andererseits seiner Mutter eng verbunden. Abhishek Bachchan wird ihn
höchst wahrscheinlich spielen. So, und zum Schluss mal wieder ein
paar unqualifizierte Bemerkungen zu den Mode-Seiten. Was offensichtlich in ist, sind
unsymmetrische Kleider, also schiefe. Macht mich aber nervös, wenn
ich hingucke. Auch wenn der Inhalt aus Deepika Padukone oder Priyanka
Chopra besteht. Aber offensichtlich fühlen sie sich selbst sehr wohl
darin. Und das ist ja die Hauptsache. Eine ganze Seite Stars in
Denim, für mich immer noch Jeans, und dazu weiße Oberbekleidung. Als hätte man
es schon mal gesehen und die Redaktion ein altes Foto recycelt. Dann
gibt es noch witzige bunte Handtaschen, Sonnenbrillen und die immer
elegante Sonam Kapoor. Ihr Styling bedeutet viel, viel Arbeit und
Zeitaufwand, was sie auch mal in einem Interview ausgeführt hat.
Vielleicht sollte man Filmfare Awards für geduldige Ehemänner von
modisch ganz besonders bewussten Stars vergeben. Ihr Ehemann müsste
den ersten erhalten.