Dieses Blog durchsuchen

Donnerstag, 12. September 2019

Sujeeths SAAHO – Möchte gern genial sein


Verrisse und Lobeshymnen haben etwas gemeinsam. Man kann sich hineinsteigern. Und dabei richtig Spaß haben. Nur dass es bei Lobeshymnen nicht sonderlich schlimm ist, wenn man übertreibt. Was macht es schon, wenn man einen Film vor Begeisterung besser macht, als er ist? Bei Verrissen ist das etwas anderes. Da muss man aufpassen, die Grenzen nicht zu überschreiten, damit man nicht etwas schreibt, dass einem später leid tun könnte. Filmregisseur Truffaut war in seiner Zeit als Kritiker zu jeder Bösartigkeit fähig. Als er Mitte der 70er ein Buch mit seinen wichtigsten Kritiken zusammenstellte, nahm er nicht eine einzige deftige Rezension mit hinein. Kollege Godard fand das unehrlich. Vielleicht. Aber um so was überhaupt zu verhindern, können Verrisse schrecklich viel Arbeit machen, vor allem wenn die Filme von Leuten sind, die man sonst uneingeschränkt mag. Ich weiß noch, wie ich mich abgequält habe bei einem Artikel zu Ashutosh Gowarikers MOHENJO DARO (2016), um genau darzulegen, was meiner Meinung nach so schrecklich schief gegangen ist bei dem Film. Übrigens hätte ich nicht erwartet, einen Film mit Süd-Star Prabhas nicht zu mögen.

Ändert aber nichts an der Tatsache: Für mich ist der Heist-Actionthriller SAAHO (2019) von Regisseur Sujeeth der erste indische Kinofilm in diesem Jahr, an dem ich einfach nichts Gutes finden kann. Gar nichts. Klar, die Kinder im Saal haben es wohl gemocht, wie ich hinterher den Eindruck hatte. Krach, bum, Glamour, Glitzer. Wie eine leider schlecht gelaunte Achterbahnfahrt. Und die PR-Propaganda um die Einspielergebnisse ließ tatsächlich denken, dass das Publikum es anders sieht als die Kritiker. Aber die Zahlen täuschen. Im Kino wird der Film seine hohen Kosten wahrscheinlich nicht einspielen. Es hat sich nach dem ersten Ansturm also doch herumgesprochen. Dass beispielsweise die Gags nicht lustig sind. Dass es echt anstrengend war, überhaupt nicht zu denken, damit man jedenfalls so tun konnte, als mache die Aneinanderreihung einzelner Szenen irgendeinen Sinn. Dabei machen mir sinnfreie Bollywoodkomödien ja oft viel Spaß, aber hier war alles viel zu angestrengt und verbissen. Selbst der ausladende, schnelle Stil mit den Schnitten und den Einstellungswechseln wirkte verkrampft und unnatürlich. Bei den Action-Szenen habe ich bloß die Programmierer am Computer vor mir gesehen. Und die Musik … War da etwas, was sich Musik nennen dürfte?

Natürlich gibt es Zuschauer, die einen ganzen Film durch in Form einer Art Tunnelblick nur auf ihren Star-Helden achten und sich keine Gedanken um irgendwelche filmischen Qualitäten machen. Das ist auch eine Art, einen Film zu gucken. Aber leider fand ich hier selbst die Stars in Haupt- und auch Nebenrollen fürchterlich blass und orientierungslos. Routiniert spielten sie ihr Pensum herunter. Sowohl Prabhas wie auch dem ganzen Film fehlt etwas, was ein Film über einen genialen Dieb haben müsste: Charme. Das einzig Gute an dem Ganzen ist eigentlich, wie eindringlich der Film unfreiwillig beweist, dass das indische Kino zwar dem Marketing nach ein Starkino, ein Heldenkino ist. Aber in Wirklichkeit hängt eben doch alles vom Regisseur ab. Wie schon Kareena Kapoor einmal in einem Filmfare-Interview festgestellt hat. Und sie hat recht. Auch ein Prabhas kann nicht von alleine funktionieren und das Charisma wie in Rajamoulis BAHUBALI (2015) versprühen. Dabei wird rein formal alles getan, um ihn ikonisch herauszustellen, inklusive BAHUBALI-Verweisen, was aber gar nicht ironisch, sondern eher hilflos wirkt. Da springt er vom Felsen, da wird er von einem Raubtier angegriffen. Und am Ende gibt es noch ein bisschen Endzeit-Wüstenfilm.

Auf dem Papier muss SAAHO sich gut angehört haben. Und es gibt ja wirklich eine schöne und lange Tradition des fantasievollen Krimis und Agentenfilms im indischen Kino. Wer ihn nicht kennt, sollte sich mal Vijay Anands JEWEL THIEF (1967) mit Dev Anand angucken. Auch mit Shammi Kapoor hat Vijay Anand solch einen unterhaltsamen Thriller gedreht: TEESRI MANZIL (1966). Der Regisseur bei SAAHO heißt ja, wie erwähnt, Sujeeth und es ist sein zweiter Film nach einem Werk aus dem Jahre 2014. Vermutlich hat er ein paar Jahre an dem Drehbuch gesessen und hat dabei jede Idee, die ihm in dieser Zeit gekommen ist, die er aus einem anderen Film geklaut hat, notiert und dann alles in einen einzigen Film gepackt. Daher gibt es in diesem Film nur einen Anwärter auf den Herrscherthron des genialen Diebes. Das ist der Regisseur. Nicht Prabhas. In einer Mischung aus Dilettantismus, Selbstverliebtheit oder vielleicht der reinen Panik, zu wenig oder einen Fehler zu machen, wirkt der Film eher wie eine Parodie auf den deftigen Stil der Blockbuster aus dem Süden. Gleichzeitig ist der Regisseur offensichtlich so stolz auf seine visuelle Welt, dass man direkt hören kann, wie er sich ständig auf die Schulter geklopft hat. Er hat dabei den Film als großes Ganzes vergessen.