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Sonntag, 6. Oktober 2019

Siddharth Anands WAR – Eine Action-Fantasie

Hrithik Roshan und Tiger Shroff als Offizier Kabir und Untergebener Khalid im Dienste des indischen Geheimdiensts. Das Idol und sein Bewunderer, so spiegelt das Kino das Leben wieder. Dieses Männergespann funktioniert sehr gut in Siddharth Anands schönem Actionfilm WAR (2019). Roshan spielt einen hart gesottenen, leicht gealterten Superspion, möglicherweise nach dem inzwischen abzusehenden verdienten Erfolg des Films nicht zum letzten Mal, sondern in einem Franchise, wie Regisseur Anand gerade öffentlich machte. Was Tiger Shroff angeht, bezweifle ich, dass aus ihm jemals ein Allround-Schauspieler wie Roshan wird. Aber für Action mit ein oder zwei Musiknummern ist er ganz ideal. So wie hier. Jedenfalls macht das Drehbuch keinen Fehler und er bekommt kein Mädchen an seine Seite gestellt, sodass es keine etwas linkischen Liebesszenen gibt. Die beiden Stars haben mit „Jai Jai Shivshankar“ auch eine gut gelaunte und gelungene Tanznummer zusammen.

Roshan allerdings hat in WAR eine kurze Liebesgeschichte, die sich dann aber als fieses Agenten-Kalkül seinerseits erweist. Und da die Dame schnell vom Bösewicht Nr.1 des Films umgebracht wird, kann sie dann auch den Männerfilm nicht weiter stören, aber jedenfalls kann so vorher noch eine langweilige, lausige und lustlose Bikini-Item-Nummer untergebracht werden, die direkt nach der Pause glücklicherweise die Handlung nicht weiter behindert. Aber dennoch: Auch auf die unangenehme Gefahr hin, feministischer Umtriebe bezichtigt zu werden, frage ich, ob das denn echt sein musste. Solch ein leicht zu durchschauendes Oberweiten-Kalkül in einem ansonsten so leichtfüßigen und angenehm naiv erzählten Film. Und ich frage mich, ob eine solche Nummer denn überhaupt irgendwer vermisst hätte. 

Aber wie auch immer: Jedenfalls hat die Tote eine kleine Tochter, um die sich Hrithik Roshan dann kümmert. Kleine Mädchen in echten Männerfilmen, das hat schon immer gepasst, wie wir seit Shirley Temple wissen, die ja sehr oft eine Waisin gespielt hat, mal halb mal voll. Damit es auch mit Sicherheit abwechslungsreich zugeht, lebt der Film von Anfang an von moralischer Gut-Böse-Unsicherheit. Shroffs Vater war Verräter, deshalb steht der Sohn für viele unter Sippen-Verdacht, dann scheint Roshan ein Böser zu sein, bis sich wieder alles umdreht, sodass sich mit den beiden Hauptfiguren im Laufe des Films die drei Kombinationen gut-gut, böse-gut, gut böse ergeben. Dazu kommen noch Verräter innerhalb des indischen Geheimdienstes selbst.

WAR (2019) handelt im Grunde von der Jagd auf einen bestimmten, besonders einfallsreichen und hinterhältigen Islam-Terroristen. Der „War“ des Filmtitels ist also der Krieg gegen den Terror, aber man ist hier nicht im ernst-harten Milieu der Filme von Neeraj Pandey wie BABY (2015). Vor allem ist es eine Action-Fantasie aus Versatzstücken, oder eher aus Zitatfetzen von Spionagewerken wie Tom Cruises Produktionen der Kinofilmreihe MISSION IMPOSSIBLE (seit 1996) bis zu Gut-gegen-Böse-Duellen wie John Woos FACE/OFF (1996). Dabei hat Regisseur Siddharth Anand seine eigene Art, die Dinge anzugehen. Er beherrscht die Kunst, eine schöne geschmackvolle Oberfläche zu kreieren, an der er, wenn nötig, bleiben kann, ohne dass es banal wird. Das schafft er mit einer präzisen Inszenierung, einer fließenden Erzählweise, gepackt mit vielen kleinen, originellen Ideen. WAR strahlt nach außen hin eine Entspanntheit aus, die Hindi-Action oft fehlt, wo die Anstrengungen des Drehs sich im fertigen Produkt niederschlagen. Diese Leichtfüßigkeit zeichnete schon BANG BANG! (2014) aus, den manche Fans lieber mögen als das US-Original KNIGHT AND DAY (2010) von James Mangold, und sie haben gar nicht so Unrecht. Und auch wenn es ein für Hindi-Film-Verhältnisse teurer Film ist, kann man etwa eine Motorradverfolgung nicht so authentisch machen, wie es eine große Hollywood-Produktion kann. Und so gibt vor allem der Schnitt dem ganzen einen realen Look und einen glaubwürdigen Zusammenhang, der überzeugt.

Anand scheint übrigens an sich eine Vorliebe für Tempo zu haben. Sein sympathischer Familienfilm TA RA RUM PUM (2007) handelte ja schon von Rennfahrerei. Auf Deutsch hat man die hübsche Lautmalerei des Titels übrigens durch PAPA GIBT GAS – EINE FAMILIE IST NICHT ZU STOPPEN ersetzt. Mit schön anzusehender formaler Sicherheit beherrscht Anand aber auch romantische Komödien wie LOVE AAJ KAL (2009) und den ausgezeichneten BACHNA AE HASEENO (2008) um einen Jungplayboy, der sich zwischen verschiedenen Frauen nicht entscheiden kann. Und in dem Drama ANJAANA ANJAANI (2010) geht es sogar um Selbstmord. Und so wie Anand zwei Mal mit Saif Ali Khan, zwei Mal mit Ranbir Kapoor gedreht hat, so ist WAR jetzt sein zweiter Film mit Hrithik Roshan. 

Damit diese Stars gut aussehen, weiß Anand sie, passend zu ihrem Image und ihren Fähigkeiten, in Szene zu setzen. Er schafft ikonische Momente und Bilder, ohne es pompös wirken zu lassen. In WAR hatte Anand ja zusätzlich noch die Aufgabe, zwei Männern gleichzeitig besondere gemeinsame Momente zu geben. Und das geschieht zum einen in der erwähnten Tanzszene und natürlich zum anderen in den Kampfszenen, mal verbündet, mal verfeindet. Da gibt es am Ende eine ausgedehnte Prügelschlacht in einer alten verlassenen Kirche. Dass Siddharth Anand den Regisseurskollegen John Woo bwundert, hatte man ja schon vorher geahnt, allerdings verzichtet er in seiner Filmkirche auf die obligatorischen weißen Tauben. Im Ganzen ist WAR mit seiner Action-Naivität das genaue Gegenstück zu dem überladenen, unverdaulichen SAAHO-Desaster von vor einigen Wochen. Wären SAAHO (2019) und WAR Schiffe, dann würde SAAHO schwerfällig untergehen, während WAR leicht darüber hinwegflöge.