Hrithik Roshan und Tiger
Shroff als Offizier Kabir und Untergebener Khalid im Dienste des indischen
Geheimdiensts. Das Idol und sein Bewunderer, so spiegelt das Kino das
Leben wieder. Dieses Männergespann funktioniert sehr gut in
Siddharth Anands schönem Actionfilm WAR (2019). Roshan spielt einen
hart gesottenen, leicht gealterten Superspion, möglicherweise nach
dem inzwischen abzusehenden verdienten Erfolg des Films nicht zum
letzten Mal, sondern in einem Franchise, wie Regisseur Anand gerade
öffentlich machte. Was Tiger Shroff angeht, bezweifle ich, dass aus
ihm jemals ein Allround-Schauspieler wie Roshan wird. Aber für
Action mit ein oder zwei Musiknummern ist er ganz ideal. So wie hier. Jedenfalls
macht das Drehbuch keinen Fehler und er bekommt kein Mädchen an
seine Seite gestellt, sodass es keine etwas linkischen Liebesszenen
gibt. Die beiden Stars haben mit „Jai Jai Shivshankar“ auch eine
gut gelaunte und gelungene Tanznummer zusammen.
Roshan allerdings hat in
WAR eine kurze Liebesgeschichte, die sich dann aber als fieses
Agenten-Kalkül seinerseits erweist. Und da die Dame schnell vom
Bösewicht Nr.1 des Films umgebracht wird, kann sie dann auch den
Männerfilm nicht weiter stören, aber jedenfalls kann so vorher noch
eine langweilige, lausige und lustlose Bikini-Item-Nummer untergebracht
werden, die direkt nach der Pause glücklicherweise die Handlung
nicht weiter behindert. Aber dennoch: Auch auf die unangenehme Gefahr hin,
feministischer Umtriebe bezichtigt zu werden, frage ich, ob das denn
echt sein musste. Solch ein leicht zu durchschauendes Oberweiten-Kalkül in einem ansonsten so
leichtfüßigen und angenehm naiv erzählten Film. Und ich frage
mich, ob eine solche Nummer denn überhaupt irgendwer vermisst hätte.
Aber
wie auch immer: Jedenfalls hat die Tote eine kleine Tochter, um die
sich Hrithik Roshan dann kümmert. Kleine Mädchen in echten
Männerfilmen, das hat schon immer gepasst, wie wir seit Shirley
Temple wissen, die ja sehr oft eine Waisin gespielt hat, mal halb mal
voll. Damit es auch mit Sicherheit abwechslungsreich zugeht, lebt der Film
von Anfang an von moralischer Gut-Böse-Unsicherheit. Shroffs Vater
war Verräter, deshalb steht der Sohn für viele unter
Sippen-Verdacht, dann scheint Roshan ein Böser zu sein, bis sich
wieder alles umdreht, sodass sich mit den beiden Hauptfiguren im
Laufe des Films die drei Kombinationen gut-gut, böse-gut, gut böse
ergeben. Dazu kommen noch Verräter innerhalb des indischen Geheimdienstes selbst.
WAR (2019) handelt im
Grunde von der Jagd auf einen bestimmten, besonders
einfallsreichen und hinterhältigen Islam-Terroristen. Der „War“
des Filmtitels ist also der Krieg gegen den Terror, aber man ist hier
nicht im ernst-harten Milieu der Filme von Neeraj Pandey wie BABY
(2015). Vor allem ist es eine Action-Fantasie aus Versatzstücken,
oder eher aus Zitatfetzen von Spionagewerken wie Tom Cruises
Produktionen der Kinofilmreihe MISSION IMPOSSIBLE (seit 1996) bis zu Gut-gegen-Böse-Duellen
wie John Woos FACE/OFF (1996). Dabei hat Regisseur Siddharth Anand
seine eigene Art, die Dinge anzugehen. Er beherrscht die Kunst, eine
schöne geschmackvolle Oberfläche zu kreieren, an der er, wenn
nötig, bleiben kann, ohne dass es banal wird. Das schafft er mit
einer präzisen Inszenierung, einer fließenden Erzählweise, gepackt
mit vielen kleinen, originellen Ideen. WAR strahlt nach außen hin
eine Entspanntheit aus, die Hindi-Action oft fehlt, wo die
Anstrengungen des Drehs sich im fertigen Produkt niederschlagen.
Diese Leichtfüßigkeit zeichnete schon BANG BANG! (2014) aus, den manche
Fans lieber mögen als das US-Original KNIGHT AND DAY (2010) von
James Mangold, und sie haben gar nicht so Unrecht. Und auch wenn es
ein für Hindi-Film-Verhältnisse teurer Film ist, kann man etwa eine
Motorradverfolgung nicht so authentisch machen, wie es eine große
Hollywood-Produktion kann. Und so gibt vor allem der Schnitt dem
ganzen einen realen Look und einen glaubwürdigen Zusammenhang, der überzeugt.
Anand scheint übrigens
an sich eine Vorliebe für Tempo zu haben. Sein sympathischer
Familienfilm TA RA RUM PUM (2007) handelte ja schon von Rennfahrerei.
Auf Deutsch hat man die hübsche Lautmalerei des Titels übrigens
durch PAPA GIBT GAS – EINE FAMILIE IST NICHT ZU STOPPEN
ersetzt. Mit schön anzusehender formaler Sicherheit beherrscht Anand
aber auch romantische Komödien wie LOVE AAJ KAL (2009) und den
ausgezeichneten BACHNA AE HASEENO (2008) um einen Jungplayboy, der
sich zwischen verschiedenen Frauen nicht entscheiden kann. Und in dem
Drama ANJAANA ANJAANI (2010) geht es sogar um Selbstmord. Und so wie
Anand zwei Mal mit Saif Ali Khan, zwei Mal mit Ranbir Kapoor gedreht
hat, so ist WAR jetzt sein zweiter Film mit Hrithik Roshan.
Damit
diese Stars gut aussehen, weiß Anand sie, passend zu ihrem Image und
ihren Fähigkeiten, in Szene zu setzen. Er schafft ikonische Momente
und Bilder, ohne es pompös wirken zu lassen. In WAR hatte Anand
ja zusätzlich noch die Aufgabe, zwei Männern gleichzeitig besondere
gemeinsame Momente zu geben. Und das geschieht zum einen in der
erwähnten Tanzszene und natürlich zum anderen in den Kampfszenen,
mal verbündet, mal verfeindet. Da gibt es am Ende eine ausgedehnte
Prügelschlacht in einer alten verlassenen Kirche. Dass Siddharth
Anand den Regisseurskollegen John Woo bwundert, hatte man ja schon vorher geahnt, allerdings
verzichtet er in seiner Filmkirche auf die obligatorischen weißen Tauben. Im Ganzen ist
WAR mit seiner Action-Naivität das genaue Gegenstück zu dem
überladenen, unverdaulichen SAAHO-Desaster von vor einigen Wochen.
Wären SAAHO (2019) und WAR Schiffe, dann würde SAAHO schwerfällig
untergehen, während WAR leicht darüber hinwegflöge.