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Dienstag, 24. November 2020

DER SCHWARZE BRUNNEN – Mörderische Mädchengeister

 

DER SCHWARZE BRUNNEN / KAALI KHUHI  (2020) von Terrie Samundra ist ein dörflicher, surrealer Geisterfilm um das Thema weiblicher Kindsmord, das sich aus den verschiedensten Gründen durch die indische Geschichte zieht und nicht nur bei armen Leuten vorkam oder vorkommt, die kaum genug für sich selbst haben oder niemals eine Mitgift werden bezahlen können. Der Film bleibt aber sehr allgemein und abstrakt, was das Thema angeht. Das, was im Film geschieht, ist eher ein Symbol für das gesamte Thema, ohne sich in konkrete Motive oder Zusammenhänge zu stürzen. Nach einem alten Ritual gehen greise Frauen zu einem Brunnen am Rand der Felder und werfen das jeweilige weibliche Neugeborene hinein. Diese oft wiederholte Tat ist die vielfache Sünde der Vergangenheit, die geheilt werden muss, damit ein über dem Dorf liegender Fluch aufhört, die Menschen in Angst und Schrecken zu versetzen. So gesehen geht es hier nicht anders zu als in unzähligen anderen gruseligen Filmen.

Der Film ist visuell sehr schön, vor allem in seinen Nachtbildern, dem Nebel, der über den dicht bewachsenen Feldern hängt, den engen, dunklen Gassen im labyrinthischen Dorf. Es beginnt mit einem Prolog, in dem ein ein kleines Mädchen die Gegend unsicher macht. Ein Mann wird in einen unbenutzten Brunnen gezogen. Eine alte Frau bricht vor Schreck zusammen angesichts des kleinen Mädchens mit einer Kette. Der Sohn, mit Frau und Tochter, kommt sofort angereist und sie werden in die seltsamen Geschehnisse des verfluchten Dorfes hineingezogen. Die 10-jährige Tochter ist die Hauptfigur des Films und der Schlüssel zur Auflösung des Geschehens. Die Nachbarin, die über alles Bescheid weiß, wird von Shabana Azmi in ihrer ersten Gruselfilmrolle gespielt.

DER SCHWARZE BRUNNEN ist eine Anhäufung von Unerklärlichem. Da sind Erwachsene, die irre Sachen machen und mächtig Angst vor kleinen Mädchen haben. In den besten Augenblicken steigert sich dies zu echtem Irrsinn und surrealen Bildern wie dem Blut in der Milch beim Melken, dem irren Kind, das sich den Kopf auf dem Steinfußboden blutig haut und einem anderen Kind Fleisch aus dem Arm beißt. Trotz allem verlässt der Film aber nie die Pfade einer gewissen Gepflegtheit. Man will es offensichtlich nicht übertreiben. Der Irrsinn wird am Ende folglich abgebrochen, anstatt ihn völlig ausbrechen zu lassen. Und der Schluss ist, angesichts der Thematik, höchst unbefriedigend, könnte aus jedem anderen Horrorfilm mit einem Kind als Hauptfigur stammen.

Mal allgemein gesagt: Irgendwie stottert es bei den indischen Netflix-Eigenproduktionen in der Sparte abseitige Indie-Genrefilme. Und irgendwie kann man ein Muster erkennen. BULBBUL kommt erst in der zweiten Hälfte in Fahrt. CARGO ist so dermaßen getragen langweilig, dass ich ihn bis heute nicht zu Ende geguckt habe. Und jetzt also DER SCHWARZE BRUNNEN, der zwar die erwähnten visuell-atmosphärischen Qualitäten hat, aber auch mit angezogener Handbremse fährt. Was alle drei Filme gemeinsam haben, ist, dass sie wirken, als wären sie vor allem aus auf einen bürgerlichen Kulturpreis. Terrie Samundra sagt selbst, dass ihr Film normalerweise auf Festivals gezeigt würde. Das ist korrekt, aber ändert nichts daran, dass diese Filme alle drei ziemlich verliebt sind in ihren eigenen Look, ihre Atmosphäre, ihre Bedeutung. Dass es auf sich selbst fixierte Filme sind, die träge in einem geschlossenen Universum existieren und die man mit Anerkennung für technische und visuelle Fähigkeiten, mit einem kleinen Appläuschen für soziales Bewusstsein, aber im Endeffekt doch mit ziemlicher Gleichgültigkeit betrachtet und sich mit Sicherheit kein zweites Mal ansieht.