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Dienstag, 24. November 2020

HALAL LOVE STORY – Film ist für alle da

In Indien sind Kino und Religion nicht zu trennen. Das Kino ist eine Art Nebenreligion, oder, besser gesagt, Zusatzreligion, vereinbar mit jedem Glauben. Nur eben nicht immer in der Praxis. Da laufen spärlich bekleidete, nicht verheiratete Pärchen um Bäume herum oder machen Schlimmeres vor der Kamera. Das muss doch auch anders gehen, denken sich in der Amazon-Prime-Produktion HALAL LOVE STORY (2020) von Regisseur Zakariya einige kulturell und politisch engagierte Mitglieder einer ländlichen, islamisch konservativen Gemeinschaft im südlichen Bundesstaat Kerala, die auch am Filmleben teilhaben möchten, ohne sich an die normale Industrie anpassen zu müssen. Also beschließen sie, ein eigenes Werk als einstündigen TV-Film zu produzieren, der auf einem entsprechenden Sender gezeigt werden kann.

In der Praxis stößt so ein halal Film natürlich auf Schwierigkeiten. Das Projekt muss erst einmal durch die entscheidenden Verwaltungsgremien. Und dann die schwierige Pre-production. Das fängt schon bei der komplizierten Besetzung der beiden Hauptrollen eines Ehepaares mit einem obligatorischen echten Ehepaar an. Die Geschichte von HALAL LOVE STORY (2020) spielt zur Zeit des Irakkrieges und in der islamischen Gemeinschaft gehört Anti-US-Propaganda momentan ganz besonders zur Folklore. Da muss mal eben eine George-Bush-jr.-Puppe verbrannt oder Coca-Cola boykottiert werden. Das ist da ganz normal. Wobei man sich schon fragt, für wen sie das eigentlich machen, wo es doch von außerhalb keiner mitkriegt.

Alles wird natürlich durch einen sehr netten Weichzeichner gezeigt. Einerseits will man keine religiösen Gefühle verletzen, diese auch nicht lächerlich machen, andererseits will man auch keinen Extremismus verharmlosen. Aber es ist ein netter Film, der wirklich keinem weh tut. Dieser Malayalam-Film ist äußerst charmant, sympathisch und emotional authentisch. Das ist eben das Geheimnis der Filmproduktion aus Kerala. Da sind die vielen liebevoll charakterisierten Nebenfiguren. Da ist die genaue Beobachtung der kleinen, alltäglichen Dinge. Diese unaufdringlich gefilmten Details geben dem Film Substanz und Wärme. Aber klar, die meisten Kinokulturen, besonders die deutsche, würden aus so einem Stoff einen fürchterlichen holzschnittartig politisch korrekten Film machen, der nicht einen Moment lang echt klingen würde.

Aber der Film bleibt auch bei dem religiösen Thema nicht stehen, obwohl es natürlich immer wieder anklingt und in der großen Schlussszene noch einmal ganz und gar bestimmend wird. Über weite Strecken ist HALAL LOVE STORY einfach die Darstellung der schwierigen Dreharbeiten eines Films mit Amateurdarstellern in einer ländlichen Gegend. Daher bezieht der Film viel seines Humors. Ein Toningenieur erweist sich schnell als autoritärste Person im Film. Sein „Ruhe“ bringt sogar den Regisseur zum Schweigen, bis es zu Beschwerden der Anwohner kommt, die bald das Gefühl haben, sich nicht mehr rühren und kaum atmen zu dürfen.

Und es ist ein Film über die Liebe zum Film, für den einfach arbeitende Menschen schon einmal eine Woche lang ihr Geschäft schließen. Aber nicht immer wird diese Liebe erwidert, denn manchmal fehlt das Talent. Dazu kommen die parallelen Eheprobleme einerseits des Regisseurs und andererseits des Hauptdarsteller-Ehepaares. Denn die Dreharbeiten lösen bei diesem indirekt eine Krise aus, die sich wiederum ungünstig auf die Dreharbeiten auswirkt. Aber natürlich endet alles in der großen Harmonie. Und damit ist vermutlich nicht zu viel verraten.