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Samstag, 26. Dezember 2020

PAKT MIT DEM TEUFEL – CHANDRA BOSES KAMPF UM INDIENS UNABHÄNGIGKEIT

 

Tilman Remmes Dokumentarfilm PAKT MIT DEM TEUFEL – CHANDRA BOSES KAMPF UM INDIENS UNABHÄNGIGKEIT ist von 2008 und hat inzwischen schon so manche öffentlich-rechtliche TV-Ausstrahlung auf dem Buckel. Dass ich diesem informativen, knapp einstündigen Film dennoch jetzt einen Blogbeitrag widme, liegt einmal daran, dass er als thematischer Abschluss einfach passend ist, nachdem es in den letzten zehn Monaten in drei Blogbeiträgen hier um Filme ging, in denen der indische Politiker und Freiheitskämpfer Subhas Chandra Bose direkt oder indirekt im Zentrum steht. Filme, in denen es um die während des Zweiten Weltkrieges deutsch unterstützte Legion Freies Indien oder die japanisch geförderte Indian National Army geht. Zweitens habe ich jetzt erst entdeckt, dass die deutsche DVD von PAKT MIT DEM TEUFEL noch 100 spannende Minuten Zusatzmaterial in Form von äußerst interessanten Interviews enthält. Und zumindest zum jetzigen Zeitpunkt gibt es diese Doppel-DVD noch sehr preiswert online zu kaufen. Selbst wenn also jemand einfach nur mal neugierig reingucken will, da kann man so gar nichts falsch machen.

PAKT MIT DEM TEUFEL ist eine solide, faktenreiche und unideologische Zusammenfassung mit einer Unmenge an Archivbildern. Zwar geht es um die ganze Lebensgeschichte Boses, aber der Schwerpunkt liegt natürlich bei seinen Versuchen, von den Achsenmächten aus eine indische Armee aus Kriegsgefangenen zusammenzustellen, deren Einsatz auf indischem Boden die Initialzündung für einen landesweiten Aufstand gegen die britische Besatzung sein sollte. Erst mit Deutschland, wo der Britenfan Hitler sich nicht für den indischen Freiheitskampf interessierte, dann mit Japan. Dabei endet es nicht mit Boses Tod, oder besser gesagt dessen Verschwinden  im Jahr 1945, denn die britischen Hochverratsprozesse gegen drei "Freies Indien"-Offiziere riefen riesige indische Solidaritätsdemonstrationen hervor und machten den Briten ihre totale Wehrlosigkeit im Krisenfall deutlich.

Die Legion Freies Indien war eine seltsame ausländische Armee im deutschen Reich mit seinem absurden Rassenwahn, wo man zwar „Arier“ sagte, aber eigentlich „Germane nordischen Typs“ meinte, wo es aber dennoch Sympathien für südöstliches Denken und besonders Indien gab, darunter durch SS-Chef Himmler. Die Legion wurde nach der Abreise Boses aus Deutschland tatsächlich nicht wie andere ausländische Einheiten an der Ostfront verheizt. Das Versprechen Himmlers an Bose wurde also wirklich gehalten. Erst wurde die Legion in Holland eingesetzt, dann bei Bordeaux, wo es auch klimatisch für die vom Wetter angegriffenen Soldaten besser war.  Zu diesen politisch-historischen Zusammenhängen kommt der menschliche Blickwinkel durch die Einbeziehung Anita Pfaffs, der österreichischen Tochter Boses, die bei einem Besuch in Indien ist und wo der Zuschauer die große Verehrung für ihren Vater, die sich dann auch auf sie überträgt, betrachten kann.

Erstes Interview auf der Bonus-CD ist eines mit Surya Kumar Bose, einem Großneffen von Subhas Chandra Bose. Jener ergänzt den Lebenslauf des Großonkels durch eine ausführliche Darstellung von dessen Werdegang und den Konflikten innerhalb der Unabhängigkeitsbewegung. Außerdem gibt es spannende persönliche Details zu Boses Ende, das vermutlich nicht durch einen Flugzeugabsturz hervorgerufen wurde. Der Neffe erzählt, wie Boses Begleiter hinterher seltsame Dinge erzählte, die nicht passen, so wie auch die angeblichen Fotos des Wracks ein US-amerikanisches Flugzeug statt eines japanischen darstellen und man auf einem Bild einen Tempel sehen kann, den es zum Zeitpunkt des angeblichen Absturzes gar nicht mehr gab. BETWEEN GANDHI AND HITLER – THE MYSTERIOUS DEATH OF AN INDIAN HERO ist übrigens der englische Titel der Doku, die sicher haupsächlich in Indien gesehen wird, und das zeigt, wo dort das Hauptinteresse liegt. Da muss man keine grundlegenden Infos über Bose mehr verbreiten. Die Diskussion über sein Verschwinden hält bis heute an.

Das zweite Interview wurde mit Dr. Rudolf Hartog geführt, der als Dolmetscher ja nah dran war an den indischen Soldaten. Er hat auch ein Buch geschrieben zu dem Thema. Er berichtet von seinem Weg von der Ostfront in die Legion. Und er gibt Einblicke in das innere Leben der Legion, vor allem das private. In der Doku gab es schon einen Ausschnitt, wo sich Menschen aus dem Ausbildungs-Ort Kirchenbrück positiv an die Inder und ihre Lieder erinnern können. Hartog berichtet zusätzlich von menschlichen Kontakten und Völkerfreundschafts-Kindern, während die reichsdeutschen Rassengesetze solche Verbindungen oder gar eine Hochzeit eigentlich grundsätzlich verbaten.

Das dritte Interview ist mit dem Offizier und Ausbilder Wilhelm Lutz, der über die militärische Organisation und ihre Einbettung in die deutsche Militärhierarchie berichtet. Wiederholt erwähnt er das warme Charisma, das Bose bei der Anwerbung der indischen Kriegsgefangenen entwickeln konnte, während er zu den deutschen Offizieren ein kühles und distanziertes Verhalten an den Tag legte. Sowohl Hartog als auch Lutz machen klar, dass die Legion keine Einheit der Waffen-SS, sondern eine der Wehrmacht war, und dass die Eingliederung in die SS erst gegen Kriegsende im Zuge einer allgemeinen, von Himmler bei Hitler durchgesetzten, Umorganisation stattgefunden hat. Aber sie wurde in dem End-Chaos nie völlig vollzogen und blieb sehr oberflächlich. Und bei der Gefangennahme konnte sie daher ohne Schwierigkeiten vertuscht werden.