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Freitag, 28. Mai 2021

SANT DNYANESHWAR – Die große Bhakti-Vereinigung

SANT DNYANESHWAR (1940), eine Prabhat Films Produktion von Vishnupant Govind Damle und Sheikh Fattelal, ist ein Marathi-Heiligenfilm über Dnyaneshwar Vitthal Kulkarni (1275-1296). Dessen große Tat liegt vor allem in der Übersetzung der Bhagavad Gita in zeitgemäßes Marathisch. Dazu verfasste er einen ausführlichen, leicht verständlichen Kommentar, dessen Besonderheit darin besteht, dass er sich nicht in abstrakter Gelehrsamkeit ergeht, sondern den Dialog zwischen Krishna und Arjuna kongenial fortführt, ausweitet, beschreibt. Selbst die erhältliche Übersetzung in modernem Prosa-Englisch gibt noch einen guten Eindruck von der Einfachheit, Klarheit und Anschaulichkeit dieses Kommentars.

SANT DNYANESHWAR ist ein vor allem auf der Legende Dnyaneshwars beruhender Film. Die theoretischen Hintergründe seines Denkens wie die Nathi Yogi Sekte werden außen vor gelassen, was dem Film aber in seiner direkten spirituellen Wirkung gut tut. Es ist gleichzeitig ein sehr engagierter, teilweise heftiger Film gegen gefühlloses Brahmanentum, gegen tote Wort-Orthodoxie. Doch daraus wird schließlich ein Film der großen Versöhnung, der alle Volksgruppen umfasst. Gemeinsam singen sie ein Bhakti-Lied, was einfach gesagt bedeutet: ein Liebeslied an Gott, an Krishna. Überhaupt handelt es sich um einen Film mit vielen wunderbaren Songs mit der Musik von Keshavrao Bhole.

Die erste Sequenz zeigt den kleinen Dnyaneshwar, der mit einem vertrauensvollen religiösen Lied durch sein Dorf geht und Almosen sammelt in Form von ein bisschen Getreide in einer Stofftasche. Er wirkt wie ein Abbild von Unschuld, Hingabe und Glaube, aber er wird misshandelt. Überall wird er weggescheucht, beleidigt, man beschwert sich über seinen Schatten. Die Almosen werden im Sand verstreut von einem bösen Brahmanen. Der erste Teil des Films ist eine reine Passions-Geschichte, eine Zeit fürchterlichen Leidens für die vier Kinder von in gesellschaftlicher Ungnade lebender Eltern. Die Ursache findet sich in der Biografie des Vaters, der vier Tage als Sanyasi, als der Welt entsagender Asket, lebte und dann unerlaubterweise zur Familie zurückkehrte. Jetzt hat die Familie ihren Brahmanen-Status verloren, wurde aus dem Dorf gejagt. Sie sind damit Ausgestoßene und leben in Armut und Verzweiflung.

Im Brahmanen-Rat findet man in den Schriften keine Antwort darauf, wie der Vater sein Vergehen sühnen soll. Sein Fall ist nicht vorgesehen. Nur der Tod könnte die Sünde auslöschen. Es folgt eine düstere nächtliche Szene in tiefstem Schwarz, wenn der Vater aufsteht, um sich umzubringen. An Dnyaneshwars Bett legte er ein Exemplar der Bhagavad Gita und dazu eine kleine Flamme. Es ist die Hoffnung des Vaters, dass Dnyaneshwar seinen Wunsch, die Inhalte der Gita für alle Marathen zu verbreiten, wahr machen kann, wenn er tot ist. Dann springt er mit seiner Frau in den Fluss.

Das Leiden der Waisen wird nun in mehreren herzzerreißenden und empörenden Sequenzen überdeutlich gemacht. Zunächst einmal suchen sie verzweifelt ihre Eltern, bis sie langsam die Wahrheit begreifen. Besonders qualvoll wird es bei einem langen, endlosen Marsch durch eine menschenleere Gegend in die Stadt Paithan zum höchsten Brahmanen-Rat. Es geht durch die Wüste, durch steinige Gegenden. Sie quälen Hunger, Durst, Erschöpfung, müssen sich schützende Blätter um die wunden nackten Füße binden. Die Wanderung bringt sie fast um. Nach Bitte um Hilfe werden im Brahmanen-Rat die Schriften herangezogen. Ein riesiger Stapel eingepackter Papierbündel, die geöffnet, studiert, gelesen werden. Es zieht sich endlos hin, dazwischen geschnitten immer wieder Dnyaneshwars erwartungsvoller Blick, der aber immer hoffnungsloser wird. Erneute Begründung: So ein Fall ist nicht vorgesehen, also kann nicht entschieden werden. Dnyaneshwar hingegen spricht von der göttlichen Seele in allen Lebenden, worauf die Brahmanen mit Verachtung reagieren. Aber auch das Büffelwunder, wo ein Büffel unter Dnyaneshwar Einfluss einen religiösen Text zu Ende spricht, das in Paithan die Gelehrten beeindruckt, wird bei ihm zu Hause verlacht. So groß ist der Hass.

Die Kinder gehen fort und begegnen auf dem Weg einem Bauern auf seinem Büffelkarren. Er nimmt sie mit. Wie eine Befreiung vom Elend wirkt das heitere Lied des Bauern, der das Thema Religion auf nach den Tod verschoben hat. Er ist agnostisch, weil da ja nichts für Leute wie ihn da ist. Das Lied hüpft direkt im Rhythmus der Fahrt, zum Klirren des Glöckchens, zum sich drehenden Wagenrad. Also wendet Dnyaneshwar sich jetzt an die einfachen Leute, und mit seinen Vorträgen gewinnt er ihre Herzen und Seelen. Er findet über die Jahre immer mehr Zuhörer über die Bhagavad Gita im verständlichen Marathisch. Zunehmend größere Mengen kommen zu seinen Vorträgen. Hier gibt es dann durch einen einfachen Schnitt im Rednerstuhl, umgeben von der Menge, den Übergang zum älteren Dnyaneshwar, gespielt von Shahu Modak.

Die Brahmanen-Gegner versuchen mehrere Attacken, wogegen Gott schützend durch Wunder hilft. So das Feuerwunder in einer Hütte, bei dem ein großes Feuer von göttlichem Atem ausgeblasen wird. Oder die Überwindung des letzten Gegners, eines mächtigen, viel zu stolzen Yogi, der mit peinlichem Bombast durch die Gegend zieht und aus seinen übernatürlichen Kräften Schauwerte für die Masse macht. Durch einen Flug auf einem großem Felsen schlägt Dnyaneshwar ihn mit seinen eigenen Mitteln. Mit diesen überzeugenden Trickaufnahmen und den Massenszenen, den realistischen Bauten, zeigt sich der immense Aufwand dieser schönen Produktion.

Schließlich ist eine riesige Bhakti-Menge zusammengekommen, alle singen gemeinsam. Dnyaneshwar hat sein Werk vollendet. Er ist bereit für den endgültigen Samadhi, den Trancezustand im Superbewusstsein, in dem der Yogi totale Kontrolle hat, auch über den Körper und dazu gehört auch der Sterbevorgang, der auf diese Weise korrekt vor sich gehen kann, sodass die Seele mit Sicherheit aus dem Wiedergeburts-Zyklus austreten kann. SANT DNYANESHWAR ist mehr als ein Film über Bhakti. Er ist durch die vielen Lieder und die von Dnyaneshwar ausgehende Sanftheit und Liebe zu Gott selbst Bhakti. Und ich nehme an, dass die Menschen ihn damals im Kino auch so gesehen und gefeiert haben.