2014 spielte Rani Mukerji
die Hauptrolle als Polizistin Shivani Shivaji Roy in dem Thriller
MARDAANI (2014), subtil inszeniert von Pradeep Sarkar, in dessen Film
LAAGA CHUNARI MEIN DAAG (2007, Der Weg einer Frau) die Schauspielerin
eine ihrer besten Rollen hatte. MARDAANI ist ein sehr realistischer
Film um verschwundene junge Mädchen und Mädchenhandel und
Zwangsprostitution. Außerdem lässt sich der Film Zeit für die
privaten Probleme der Polizistin. Das Ganze ist sowohl optisch
elegant als auch sehr echt, beklemmend, aus dem Mumbaier Leben
gegriffen.
Jetzt hat Mukerji für
MARDAANI 2 (2019) erneut die Polizeiuniform angelegt, allerdings hat
Shivani Shivaji Roy in den letzten Jahren Karriere gemacht und ist
jetzt Superintendent, also sozusagen Polizeidistriktvorsteherin, in
der Stadt Kota im Südosten Rajasthans, an der Grenze zu Madhya
Pradesh. Gopi Puthran, der Drehbuchautor und Regieassistent des
ersten Teils, wurde zum Regisseur des Films befördert, den er auch
geschrieben hat. Übrigens gilt dasselbe auch für einen
offensichtlich in Planung befindlichen dritten Teil. Das Ganze ist
jetzt also eine Serie, ein Franchise, wobei
MARDAANI 2 einen Schritt weiter in Sachen Entertainment
geht als sein Vorgänger. Diesmal handelt
es sich um einen einfacher gestrickten Frauenmörderthriller mit
Twists und Turns und Überraschungen und viel Psychotischem. Alles
flüssig, spannend, unterhaltsam, handwerklich gut inszeniert, dazu
die authentische Optik von Rajasthan, und wenn ich mir das letzte
Jahr geistig so Revue passieren lasse, hat Puthran verdient den
Filmfare Award für das beste Regie-Debüt bekommen.
Aber in MARDAANI 2 ist
nicht nur ein sehr junger frauenfeindlicher, psychopathischer, sadistischer
Frauenmörder und Vergewaltiger unterwegs.
Nein, er ist gleichzeitig auch noch
superschlauer und genial durchgeplanter Auftragsmörder, was also
irgendwie zwei Filme in einem sind. Eines von beiden hätte
eigentlich vollauf gereicht. Nun nehme ich an, man wollte nicht
einfach beim feministischen problemorientierten Thriller
stehenbleiben, was der erste Teil ja durchaus ist,
sondern ein bisschen spektakulärer werden, mehr Entertainment
bieten. Was gelungen ist. Und an sich ist es ja auch eine schöne
Sache, sich nicht zu wiederholen, aber es läuft alles ein bisschen
zu glatt, zu sehr wie am Schnürchen ab, und im Endeffekt ist mir da
zu viel Killer und nicht genug Rani Mukerji, die gut und routiniert agiert.
Dieser
Killer wird in MARDAANI 2 ”new age criminal“ genannt,
dem Berühmtheit und sein Ego wichtig sind, auch wenn er in
Wirklichkeit nur ein Schwächling mit sehr kleinem Ego ist, das sich ganz
besonders von zu selbstständigen Frauen bedroht fühlt. Wobei ich mich nebenbei
frage, ob das wirklich so ungeheuer neu ist, denn auch so mancher
Bandit des Wilden Westens war schon stolz auf seinen Steckbriefe und
seinen Ruf. Um die Selbstverliebtheit filmisch zu verdeutlichen,
spricht er jedenfalls ständig in die Kamera und teilt uns
seine innersten Gedanken mit, die aber nicht sehr tiefsinnig
sind. Vor allem am Anfang wirkt das noch ganz passend, aber auf Dauer ist es einfach zu intelligent und zu cool. Kurz: Es kann nerven. Da ist
dann der Film selbst ein bisschen zu sehr in die eigene Intelligenz
verliebt. Solch ein
irreal überdimensionierter und ungewöhnlicher Mörder hat natürlich
den großen Vorteil, dass es am Ende keine männlichen Beschwerden
gibt, dass doch nicht alle Männer so seien. Zuletzt bin ich im
Zusammenhang mit Meghna Gulzars bemerkenswertem Säureattackenfilm
CHHAPAAK (2020) auf solche Kommentare im Netz gestoßen. Männer,
die sich von bösen Männern in Filmen angegriffen und seelisch
gekränkt fühlen, haben etwas Heulsusiges.
Die ernsthafte Thematik um Frauen, Karriere, Gleichberechtigung, Missbrauch, Mord
sollte in MARDAANI 2 trotzdem nicht fehlen. Aber vieles wirkt in dem
Zusammenhang konstruiert, künstlich hinzugefügt. Vor allem werden
diese Themen im Kampf und in der Zusammenarbeit mit Polizeikollegen
und einem Fernsehjournalisten abgehandelt. Dabei wird es oft ziemlich theoretisch, vor allem wenn Mukerji am Ende vor den
Fernsehkameras einen langen Monolog über Gleichberechtigung und
Gleichheit halten darf. Es gibt auch die mediale Diskussion, ob eine Frau überhaupt Polizistin sein sollte, weil der Mörder hier so
fixiert auf sie ist. Aber jeder weiß doch aus dem Kino, dass
Serienmörder grundsätzlich fixiert sind auf jeden ermittelnden
Beamten, der sich herablassend über sie äußert, völlig unabhängig
vom Geschlecht. Vor dem Nachspann kommen dann noch pflichtschuldigst
düstere indische Vergewaltigungsstatistiken. Nächstes Mal sollte
man einfach einen Thriller mit weiblicher Hauptfigur drehen. Ganz
selbstverständlich. Als wäre man immer dazu verpflichtet, sich mit
Problemthemen auseinanderzusetzen. Wenn man das aber unbedingt will,
dann sollte man zum Prinzip des ersten Films zurückkehren und es
authentischer machen, organischer in den Film integrieren.