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Mittwoch, 26. Februar 2020

SHUBH MANGAL ZYADA SAAVDHAN – Eine bunte Familienkomödie


Kurz bevor er seine Indienreise antrat, twitterte US-Präsident Trump „great“, als ein US-Aktivist begeistert die Existenz der Familienkomödie SHUBH MANGAL ZYADA SAAVDHAN (2020) pries, in dem ein schwules Pärchen um Anerkennung und Verständnis innerhalb der Familie von einem der beiden kämpft. Hauptdarsteller Ayushmann Khurrana twitterte darauf wiederum: „Es war toll, eine Reaktion von US-Präsident Trump zu sehen. Ich hoffe und wünsche aufrichtig, dass dieser Kommentar Präsident Trumps Geste der Annäherung an die LGBTQ-Gemeinschaft ist und dass er fortdauernd und konstant daran arbeiten wird, die LGBTQ-Rechte aufrechtzuerhalten.“

Was ich damit sagen will: Thema, Inhalt, Botschaft sind zunächst einmal das Wichtigste an SHUBH MANGAL ZYADA SAAVDHAN, geschrieben und inszeniert von Hitesh Kiwalya. Schließlich ist der Film der erste dieser direkten Art ohne Umschweife. 2008 verpackte Produzent Karan Johar das Thema noch in die Pseudo-Schwulenkomödie DOSTANA (2008) mit John Abraham und Abhishek Bachchan als unechtes Pärchen, die aber einfach gerne bei Priyanka Chopra einziehen wollen. In Shakun Batras KAPOOR & SONS (2014) geht es auch um ein Coming-out. Und dann fallen mir noch zwei sehr ernsthafte Filme ein: Hansal Mehtals ALIGARH (2015) über einen Uni-Professor, der in den Selbstmord getrieben wird. Und vorher war da noch Karan Johars Beitrag zu dem Episodenfilm BOMBAY TALKIES (2013) über ein Ehepaar, bei dem es einfach nicht läuft im Bett. Der Film zeigt, wohin das Verbot gleichgeschlechtlicher Liebe durch §377 führte: zu frigiden Beziehungen mit Männern, die sich in der Ehe verstecken oder von ihrer Familie in der Ehe versteckt werden.

Das Prinzip von SHUBH MANGAL ZYADA SAAVDHAN ist einfach: Man integriert das Thema in die klassische, allseits vertraute Hochzeits-Familienkomödie. Und da gibt es zwei Erzählstränge: einmal den der gescheiterten Hochzeit, weil kurz vorher eine unbequeme oder skandalöse Tatsache ans Licht kommt und eine der beiden Familien geschlossen abwandert. Zweitens die von vornherein unerwünschte Hochzeit oder allgemein unerwünschte Pärchenbildung, also wegen Geld, Familie, Kaste, Klasse, Religion, was halt so indischen Familien unabdingbar wichtig sein kann. Jetzt wird einfach die Kategorie sexuelle Orientierung hinzugefügt.

Ziel aller Anstrengungen ist es, vor allem die Hauptfigur, den Vater, den Patriarchen für sich zu gewinnen. Der ist hier ganz bewusst ein gebildeter Mann, ein Wissenschaftler, der übrigens gerade schwarzen Kohl gezüchtet hat, also versucht, gegen die Natur zu arbeiten. Was natürlich nicht nur komödiantisch, sondern auch symbolisch gemeint ist. Aber als der Vater am Anfang des Films die beiden Männer beim Küssen erwischt, muss auch er erst einmal kotzen und verabschiedet sich in eine erholsame Ohnmacht. Bei all dem ist es gar nicht so sehr Ayushmann Khurrana, der hier im Mittelpunkt steht, sondern der bemerkenswerte Jitendra Kumar als gequälter Sohn, der zu seiner Familie einfach nicht nein sagen kann, weil eigentlich ja alle so nett sind. Gajraj Rao spielt den gequälten Vater, ohne in Klischees zu verfallen. Neeta Gupta ist die hektische Mutter, die unbedingt eine Ehe für den abseitigen Sohn arrangieren will. Und dann ist da die wunderbare Sunita Rajwar als frustrierte Cousine, deren Ehe so plötzlich ins Wasser fällt. Aber der Bräutigam war eh viel zu alt für sie. Die ersten 75 Minuten der knapp 120 Minuten sind tatsächlich ungeheuer temporeich, komisch und unterhaltsam, ohne je künstlich betroffen oder rührselig zu werden.

Das ist im Ganzen sehr geschickt gemacht. Der Zuschauer hat sich bis dahin so gut amüsiert, dass man den gebremsteren Rest akzeptiert. Denn im letzten Teil überwiegt das Thema, es wird allgemein gesellschaftlich, und das führt einfach dazu, dass ein dramaturgischer Bruch entsteht und die filmische Entertainment-Qualität natürlich nicht aufrecht erhalten bleiben kann. Da steht etwa Khurrana mit bloßem Oberkörper und Regenbogenfahne als Superheldenumhang auf einem Dach und hält eine Rede. Es wird sogar richtig konstruiert politisch, um das Thema in den historischen Kontext zu stellen. Denn wie der Zufall des Films es will, spielt das Ganze vor und nach den Tagen der Entscheidung des indischen Verfassungsgerichts um den erwähnten §377. Dieses Gesetz aus der Kolonialzeit wurde am 6. September 2018 als verfassungswidrig abgeschafft. Wenn man übrigens bedenkt, wie dröge man Filme dieser Art machen kann – ich denke da etwa an Stanley Kramers Anti-Rassismus-Film RATE MAL WER ZUM ESSEN KOMMT (1967) – dann fällt erst recht auf, wie gut man das alles im Rahmen des Möglichen und Nötigen umgesetzt hat.

SHUBH MANGAL ZYADA SAAVDHAN ist übrigens eine indirekte Fortsetzung, ein Spin-off von SHUBH MANGAL SAAVDHAN (2017), einem Familienfilm über Erektionsstörungen, auch mit Khurrana. Wenn man also bedenkt, dass dieser mit VICKY DONOR (2012), einem Film über Samenspenden, sein sofort erfolgreiches Kinodebüt hatte, dann könnte man ihn wohl inzwischen als König der Bollywood-Sexualaufklärung bezeichnen, während also Akshay Kumar mit Werken über Toiletten und Damenbinden der König der filmischen Hygiene-Aufklärung ist. Bollywood-Star ist ein komplexer Beruf.