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Dienstag, 22. September 2020

Pradeep Sarkars COLDD LASSI AUR CHICKEN MASALA (Staffel 1) – Beziehungsberatung

Hindi-Regisseur Pradeep Sarkar hat am Anfang seiner Spielfilmkarriere – vorher war er erfolgreicher Werbefilmer – zwei ausgezeichnete Melodramen gedreht, die zu den schönsten Hindi-Filmen der letzten fünfzehn Jahre gehören und die man gesehen haben sollte: PARINEETA (2005) und LAAGA CHUNARI MEIN DAAG (2007). Und nach einem mittelmäßigen Krimi gab er dem Thriller MARDAANI (2014) mit Rani Mukherji genau das richtige subtile emotionale und visuelle Gerüst. Grund genug eigentlich, sich für seine weiteren Filme zu interessieren, aber langsam komme ich leider in Zweifel. Die letzten beiden Produktionen, in denen er Regie geführt hat, sind enttäuschend gewesen.

2018 drehte er mit Kajol die Komödie HELICOPTER ELA über eine Helikopter-Mama, die überall da hingeht, wo ihr Sohn auch hingeht. Und der Film war schwer aufzutreiben, richtig schwer. Um so größer dann die Enttäuschung. Vermutlich gibt es ja Hardcore-Kajol-Fans, die alles toll finden, was sie tut. Die dürfen gerne ihren Spaß haben. Was ich gesehen habe, war aber, dass die Hauptrolle von einer Frau gespielt wird, die aussieht wie Kajol und die so tut, als wäre sie die junge Kajol von KUCH KUCH HOTA HAI (1998), was ja doch eine ganze Zeit her ist. Und so hüpft da ein Kajol-Klon wie ein nicht zu bremsender Gummiball durch den Film. Das kann aber nicht Kajol sein. Denn die ist doch zu intelligent für so was. Alles in allem bloß eine Solo-Nummer, wo die eine oder andere Szene mal gelungen ist, aber das große Ganze enttäuscht.

Und dann drehte Sarkar 2019 die Fernsehserie COLDD LASSI AUR MASALA, eine 12-teilige Serie von etwa sechs Stunden über Kochen und Liebe. Eine verbitterte alleinerziehende Mutter arbeitet als Chefköchin in einem Restaurant, das die Besitzerin wegen zu viel Stress gerne verkaufen möchte. Gesagt, getan, es wird übernommen von einem internationalen, indischen Spitzenkoch, der ganz und gar zufällig der Ex-Mann der Köchin und Vater ihres Sohnes ist, den er noch nie zu Gesicht bekommen hat. Das wäre im Hollywood der 1940er eine „Comedy of Remarriage“ geworden. Heutzutage als Spielfilm eine unschlagbares Rezept für einen gut durchgekochten Feelgood-Film. In der modernen TV-Version ist es eine Soap mit Schmunzeleinlagen.

Die Handlung bietet eigentlich allenfalls Stoff für einen 2-Stunden-Bollywood-Film plus eine halbe Stunde Musik und Tanz. Das wäre vielleicht ganz nett geworden und vielleicht auch ein bisschen witziger. Aber bei 12 Folgen muss natürlich alles gedehnt werden. Die Szenen. Die Dialoge. Die Probleme. Überhaupt die ganze Handlung. Die Zweiteilung des Bollywood-Films wird hier verwandelt in eine Story mit ständigen Rückblenden, die nie aufhören und im Grunde doch immer wieder dasselbe zeigen. Für solch eine dramaturgische Folter hat man das Wort „Tautologie“ erfunden. Alles wird ohne Leerstellen direkt und platt serviert. Mein Wille, bis zum Ende durchzuhalten, um zu sehen, was Sarkar aus so etwas gemacht hat, wurde argst strapaziert. Manchmal, wenn die Beteiligten nicht aufhörten zu reden, malte ich mir aus, wie ein psychopathischer Humorist durch ein Fenster springt und allen einfach den Mund zuhält. Hätte ich Asthma, hätte ich vielleicht einen Anfall gekriegt.

Dabei ist alles durchaus elegant und schön gefilmt. Es könnte bestimmt viel kitschiger sein. Und auf das Essen hat man mit Hilfe von realen Kochprofis richtig viel Sorgfalt verwendet. Die Schauspieler sind sympathisch. Da erkennt man einige gute Ansätze, die das Serienformat an sich aber von alleine ruiniert. Das ist eben das moderne Serienproblem. Jede Form von Stil oder erzählerischer Ökonomie verschwindet unter dem Strom des endlosen und sinnlosen Erzählflusses. Kaum ist da mal ein Augenblick, der überzeugt, der echt wirkt, dann hört er nicht mehr auf. Er hört einfach nicht auf und alles verwandelt sich in unerträgliche Unnatürlichkeit und Gestelztheit und die Schauspieler wirken wie unfähige Amateure. Und dass es am Ende nicht auf das einfache Happy End zusteuert, hat ja auch nichts mit Ehrlichkeit zu tun. Man muss alles für eine mögliche zweite Staffel offenhalten.

Aber eigentlich zielt meine Kritik am Ziel vorbei. Denn eigentlich ist das weder ein Film noch eine Serie, sondern eine moderne Beziehungsberatung, auch wenn man am Sinn der Psycho-Operation zweifeln kann. Der obligatorische männliche Freund der weiblichen Hauptfigur ist ein Psychiater und so unterhalten sie sich auch ständig.