Franz Ostens PREM KAHANI (1937) ist der visuell schönste der drei Osten-Filme die ich mir jetzt, neben ACHHUT KANYA (1936) und NIRMALA (1938), angesehen habe. Denn es ist der Film, bei dem Kameramann Josef Wirsching am deutlichsten eine Reihe von außergewöhnlichen stilistischen Akzenten setzen konnte. Die Bauten sind von Karl von Spreti. PREM KAHANI ist eine auf das Essentielle konzentrierte Tragödie. Der Titel „Liebesgeschichte“ deutet schon das Typisierende des Erzählten an.
Wie in ACHHUT KANYA (1936) gibt es eine Rahmenhandlung mit einem Priester. Aber diesmal ist der Rahmen wesentlich intensiver, gehört direkt zur Handlung. Denn hier tritt kein ätherischer Sadhu aus dem Nichts auf, um dann dorthin wieder zu verschwinden, sondern ein sehr realer Priester ist zur Vorbereitung einer Hochzeit in eine Wohnung gerufen worden. Dort wird gerade der Tochter des Hauses von den Eltern zugesetzt, dass sie endlich ihren Widerstand gegen deren Auswahl eines Bräutigams aufgeben und sich den Traum von einer Liebesheirat aus dem Kopf schlagen soll. Der Priester möge doch bitte dabei helfen, aber dieser lehnt ab, denn er war selbst einmal in so etwas aktiv verwickelt und habe gesehen, wie böse dies ausgehen kann. Deshalb habe er auch dem Weltlichen entsagt. Und da seine Geschichte am Ende didaktische Wirkung auf die Eltern hat, kann die Haupthandlung sich solch eine für das Hindi-Kino eher ungewöhnliche Tragödie ohne jeden Trost, ohne jedes sinngebende Opfer oder ohne romantisierte Vereinigung im Tod – Dinge, die ja auch noch als eine Art spirituelles Happy End durchgehen – erlauben.
Die Handlung wird in Gang gesetzt durch zwei Witwen, die auf gesellschaftlich absolut übliche Art und Weise, ganz rational-materialistisch, aber genau betrachtet natürlich gefühllos, die Hochzeiten ihrer beiden zusammen aufgewachsenen Kinder Jagat und Maya planen, ohne diese zu fragen oder genauer zu informieren. Ashok Kumar und Maya Devi spielen das verhinderte junge Liebespaar. Und sofort wird durch Missverständnisse das Rad der Verwicklungen in Gang gesetzt, an dessen Ende vier Menschen tot sind. Das also kann das Ergebnis sein, wenn man den natürlichen Ablauf, den natürlichen Zusammenhang der Dinge mit Gewalt und eigenmächtig stört. Wie ein sich vom Wagen gelöstes Rad unaufhaltsam den Berg herunterrollt, so ist die Katastrophe unvermeidlich und nicht aufzuhalten. Und dennoch kommt PREM KAHANI, abgesehen vom Schluss, ohne übertriebene melodramatische Effekte aus, ist ein sehr ruhiger Film. Die Menschen, auch die jungen Menschen, sind es gewohnt, sich zu fügen. Sie spielen mit, unternehmen allenfalls kleine vergebliche Flucht- oder Protestversuche, während sich das Unwetter über ihnen immer dichter zusammenbraut.
Vor allem ist PREM KAHANI ein trauriger Film über unerfüllte Wünsche und Träume, über trügerische Hoffnungen und Illusionen. Wirschings wichtigstes, wiederholt wirksam eingesetztes visuelles Mittel ist die Doppelbelichtung als Wunschvorstellung oder als Traumprojektion in die Zukunft. Menschen planen ja gerne im Kopf ihr Leben. So beispielsweise auch die beiden Hauptfiguren am Anfang: Jagat hat erst einmal ehrgeizige Pläne, ganz für sich allein, und er sieht eine große Anwalts-Karriere vor sich und dass er im Alter ein geehrter Bürger ist. Maya ist mit solch einem, sie ausschließenden, Traum unzufrieden und sieht statt dessen ein gemeinsames glückliches Familienleben und sogar ihren glücklichen Tod im hohen Alter mit Jagat am Bettrand sitzend. Als Jagat später in der Stadt ist und ein Lied singt, sieht er sich das Lied mit Maya singen. Die Menschen träumen von einem Menschen, sind im Geiste schon mit ihm zusammen. Geschehen die Dinge nicht wie erhofft, verwandelt sich die Wirklichkeit in eine schwer zu ertragende Bürde.
Wirsching arbeitet in PREM KAHANI auch stark mit dem Licht. Beispielsweise gibt es eine ungewöhnliche abstrakt-expressionistische Szene. Ein Mann am Schreibtisch und sein Diener, hinter ihnen eine graue, leere Wand ohne Dekors, auf der das Schattenspiel aus den zwei Gestalten geworfen wird. Meisterlich und voll effektvoller Tragik ist dann die ganze abschließende Nachtszene. Da stolpern vier Menschen mit unterschiedlichen Motiven zwischen Bäumen und Büschen durch das stürmische und verregnete Dunkel: auf der Flucht, auf der Suche, mit Mordabsichten. Wirsching arbeitet mit extremen Licht-Schatten-Kontrasten, mit Effekten wie beweglich zitternden Schatten im Sturm. Die Blitze zucken und sorgen für kurzes Aufhellen durch das Laub, um dann wieder in Finsternis zu stürzen. Dabei ist alles sehr klar, übersichtlich und ohne Hektik montiert. Die Katastrophe kommt mit schicksalhafter, ruhiger Unausweichlichkeit.