Werner Herzogs TV-Dokumentation JAG MANDIR (1991) beginnt mit André Heller, dem Kopf, dem Organisator einer großen Theateraufführung im indischen Udaipur, im Bundesstaat Rajasthan. Heller erzählt etwas über die Umstände und die Entstehung dieser 20-stündigen Veranstaltung unter der Schirnherrschaft des Maharana von Udaipur, der sich ein Festival der indischen volkstümlichen Unterhaltungsformen wünschte. Sein kleiner Sohn, sein Nachfolger, sollte das alles zu sehen bekommen, bevor es ganz langsam in der Moderne verschwindet. Es gab 18 Monate Videorecherche mehrerer Teams im ganzen Land. Das Ergebnis waren 10.000 Künstler auf Video. Ausgewählt wurden 2000. Und Heller ist begeistert über die Rolle, die Kultur seiner Beobachtung nach in Indien einnehme. Sie sei dort ein Grundnahrungsmittel.
Werner Herzog verzichtet
danach auf größere Erklärungen. Mit einer Fiktionalisierung reiht
er sich stattdessen als mythischer Geschichtenerzähler lieber
geistig in die Reihe der auftretenden Künstler ein. Als Sprecher aus
dem Off erzählt er eine legendenartige, märchenartige Geschichte.
Denn der Maharadscha hätte Sorgen. Sein Inselpalast wäre 1500 Jahre
alt und drohe im Wasser zu versinken. Ein Weiser hätte zu dieser
Veranstaltung geraten, um das drohende Unheil zu verhindern. Herzog
zeigt den Maharadscha beim Gespräch mit einem alten Mann und beim
Umhergehen in seinen Palasträumen. Das war dann der kürzeste von
insgesamt drei filmischen Akten. Auf „I. Die Sorgen des
Maharadscha“ folgen dann „II. Die Prozession“ und „III. Die
Vorstellung“. JAG MANDIR hat den Untertitel DAS
EXZENTRISCHE PRIVATTHEATER DES MAHARADSCHA
VON UDAIPUR.
18 Monat später ist es dann soweit. Eine bunte, laute, scheinbar nicht endende Prozession zieht durch die Straßen der Stadt. Da sind Fabelwesen, Götterbilder, Musik, geometrische Formen, Rhythmusgruppen, Tanz, Kostüme, der Tod, Krieger, Gesang, Puppenspieler, Schattenspieler, Vogelkostüme. Und noch vieles mehr. Irdisches, Fantastisches, Mythologisches. Die Kamera ist oft ganz nah und mitten drin, gerne in der Froschperspektive, will Teil davon sein. Zwischendurch mal ein Blick auf Zuschauer am Straßenrand, ein paar Totalen. Hinter dem langen Zug haben sich dann die normal gekleideten Menschen eingereiht. Auch am Straßenrand gibt es Entdeckungen wie den letzten Spieler eines bald verschwundenen Saiteninstruments. Einem Fakir kriecht ein Skorpion aus dem Mund. Durch das Stadtbild spaziert ein Stelzenläufer.
Man sieht den Aufbruch der fürstlichen Familie, das Besteigen einer Prunkbarke. Aber das Wichtigste ist das große Relief aus Erdfarben, das in 14 Tagen entstanden ist. Hier zeigt sich ein typisch indischer religiöser Rahmen der Veranstaltung. Am Bild gibt es ein Ritual und Segnungen. Und dann wird es verwischt. Das Material des vermischten Bildes wird dann für Segnungen verwendet. Wie Heller in der 7-minütigen Einleitung die Worte eines Sadhus wiederholte: Das Ziel sei Perfektion und Auflösung.
Die Vorstellung wird eingeleitet durch Schminken und Kostümieren in der riesigen Zeltstadt für all die Künstler aus ganz Indien. Ein Mann macht auf der Bühne eine Vorbemerkung, in dem er zwei schöne Ausdrücke gebraucht, einmal nennt er die Mitwirkenden „Arbeiter des Traums“ und man werde der „Schönheit huldigen“. Mit Musik, Tanz, Lachen, Staunen werden die Realitäten zahlloser Welten abgebildet: Indien, tatsächlich ein ganzes Universum für sich. Es beginnt mit einem Reitertanz, einem Derwisch-Säbeltanz. Es gibt Artistik, Tanz, Gesang, eine abwechslungsreiche Auswahl, von wild bis anmutig, mit Männern, Frauen, Kindern. Zwischendurch zwei, drei Mal eine Großaufnahmen des Sohnes, für den das alles schließlich stattfindet. Ein großes Feuerwerk schließt die Veranstaltung ab. Der Film wird abgeschlossen von einer nächtlichen Totalen. Ein schöner Film, der natürlich nur ein Best of dessen liefert, das sich in der Wirklichkeit gerade durch die lange Dauer ausgezeichnet hat.