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Sonntag, 25. April 2021

Robert Dinesens DIE LIEBLINGSFRAU DES MAHARADSCHA – Exotische Liebe

 

Ein groß gewachsener, stattlicher indischer Maharadscha mit Turban am sommerlichen Urlaubsstrand. Das erregt Aufsehen in dem dänischen Stummfilm DIE LIEBLINGSFRAU DES MAHARADSCHA / MAHARAJAHENS YNDLINGSHUSTRU (1917). Besonders bei zwei jungen Frauen einer großbürgerlichen Familie. Sie sind ganz aufgeregt und klettern auf ihren Stühlen herum und wollen das Fernglas gar nicht mehr von ihm wegschwenken. Und das trotz der Ermahnungen der peinlich berührten Eltern, denen diese Erscheinung und ihre Auswirkung auf die sonst so brave Sittlichkeit offensichtlich höchst unangenehm ist. Besonders die Ältere, Elly, ist angetan. Der Maharadscha sucht auch kurz den Kontakt und lässt abends heimlich ihr Schlafzimmer mit Rosen bestreuen, dazu ein Exemplar von „1001 Nacht“. Hier werden exotisch-erotische Träume wahr. Allenfalls voll Mitleid, ohne Spur von Liebe, betrachtet Elly kurz die einzelne Rose, die ihr ihr Verlobter kurz zuvor geschenkt hat und lässt sie fallen. Sie hüpft dann im Zimmer herum. Wie ein kleines Mädchen. Weil sie ausgewählt wurde. Von ihm! Dem Maharadscha.

DIE LIEBLINGSFRAU DES MAHARADSCHA ist eine dänische Nordisk Film Produktion. Regie führte Robert Dinesen und die Hauptrolle als Maharadscha hat der Norweger Gunnar Tolnæs. Das Entzücken der beiden jungen Damen im Film, natürlich vor allem Ellys, beim Anblick von Tolnæs stand durchaus stellvertretend für das junge weibliche Kinopublikum, das sich den Film immer wieder ansah und zu einem großen Teil vom Fleck weg mit Elly getauscht hätte. Formal handelt es sich hier um keine filmische Offenbarung. Man sieht einfache, statische Bilder, in denen sich, ohne besondere Ausnutzung des Raums, die Menschen bewegen. Die vermeintlich indischen Innendekors wirken wie eine mit orientalischem Dachbodenmüll voll gerumpelte Shisha-Bar, aus der man rückwärts wieder rausgeht, weil man gleichzeitig die Augen von so viel Scheußlichkeit nicht abwenden kann.

Aber dafür hat der Film auf der inhaltlichen Ebene eine überraschende Klischeefreiheit zu bieten, die man von ähnlichen Filmen sonst nicht gewohnt ist. Man denkt ja bei dem Thema zuerst an gewaltsam entführte weiße Frauen, an das damals viel diskutierte und verfilmte Thema des weißen Sklavenhandels und an lebensgefährliche Fluchten aus dem Harem. DIE LIEBLINGSFRAU DES MAHARADSCHA ist aber ein Film ohne Bösewicht. Was hier stattfindet ist eine Art Culture-clash der Liebes- und Ehevorstellungen. Elly flieht aus reinem freiem Willen, riskiert bei einer einsamen, kraftraubenden Ruderpartie auf dem Meer sogar ihr Leben. Nur dass sie in Indien eine böse Überraschung erlebt: Dort wird sie schön gemacht. Sie kommt voll Vorfreude in sein Gemach. Und landet dann im Harem. So hatte sich die monogame Dänin das natürlich nicht gedacht. Doch für ihn ist es völlig normal. Als er sie das nächste Mal rufen lässt, ist sie aus ihren leichtfertigen Träumen erwacht, schlurft ziemlich lustlos und unerotisch in sein Zimmer und steht bloß da. Sie schmeißt ihm seine teuren Juwelen vor die Füße und vegetiert von nun an im Harem vor sich hin. Aber er ist kein Tyrann. Er versteht wirklich nicht ihr Problem. Sie ist doch seine Lieblingsfrau. Ihre westlichen Kleider sind für ihn sogar ein echtes Heiligtum. Man ist einander eben ein Rätsel. Und kann, wie das Ende zeigt, dann doch nicht ohne einander leben.

Angeblich sollte der Maharadscha eigentlich sterben, aber der Schluss wurde geändert. Und so konnte der Stoff weitergesponnen werden. Erst einmal in einer direkten Fortsetzung mit DIE LIEBLINGSFRAU DES MAHARADSCHA II (1919), diesmal von August Blom inszeniert. Als dritter Teil bezeichnen sich dann gleich zwei Filme, wobei es keine Fortsetzungen, sondern Variationen derselben Story sind. Und man sah Gunnar Tolnæs eben so gerne als Maharadscha. Von 1921 ist eine deutsche Produktion unter der Regie von Max Mack mit Tolnæs und deutschen Schauspielern wie Fritz Kortner. Von 1926 ist der andere dritte Teil als deutsch-dänische Produktion unter der Regie des Dänen A.W. Sandberg. Angesichts einer verwirrenden, Misstrauen erweckenden Quellenlage, will ich hier lieber auf Inhaltsangaben aus zweiter Hand verzichten, denn mit eigenen Augen gesehen habe ich ja bisher nur DIE LIEBLINGSFRAU DES MAHARADSCHA von 1917. Vielleicht kann ich auf das Thema ja später einmal zurückkommen.