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Dienstag, 27. April 2021

V. Shantarams SINHAGAD – Der Heldentod des Tanaji

SINHAGAD (1933) erzählt die Geschichte der Schlacht von Sinhagad im Jahre 1670. Im Film ist allerdings noch die Rede von Kondhana, wie das an einem steilen Felsen südwestlich von Pune liegende Fort vorher hieß. Eine kleine Armee des Maratha-Herrschers Shivaji unter Führung von Tanaji Malusare eroberte das Fort von Mogul-Kaiser Aurangzeb zurück. V. Shantaram führte Regie bei diesem sehr patriotischen und heroischen Marathi-Film der Prabhat Film Company in Pune, die Anfang der 1930er noch ganz auf historische und mythologische Filme konzentriert war. In Regisseur Baburao Painters Stummfilm-Version des Stoffes von 1923 hatte Shantaram sogar noch als junger Schauspieler mitgewirkt. Die Story von SINHAGAD beruht auf einem Roman von Hari Narayan Apte, der bei beiden Versionen selbst für das Drehbuch verantwortlich war. Meines Wissens nach ist der Ajay-Devgn-Film TANHAJI (2020) der einzige weitere Film, der diese Schlacht in den Mittelpunkt stellt.

Zügig werden in zwei längeren Szenen die Hauptfiguren eingeführt. Es beginnt mit zwei Frauen und dem Bösewicht des Films, Uday Bhanu, der in Diensten von Aurangzeb steht. Die Kriegerwitwe Kamla Kumari will ihrem Ehemann an dessen Todesstätte durch Sati, also Selbstverbrennung, folgen. Da kommt ein Reitertrupp, aber die vermeintliche Rettung ist keine Rettung, sondern die Störung eines freiwilligen heiligen Rituals und eine lüsterne Entführung Kamlas und ihrer Freundin. Es kommt zu einem Kampf mit vielen Toten. Kamla wird schon länger von Uday Bhanu begehrt, wobei die Vorgeschichte nicht weiter ausgeführt wird. Ich könnte mir vorstellen, dass sie im Roman enthalten ist. Hier muss ich auch anmerken, dass es aufgrund verschiedener Tatsachen sehr gut möglich ist, dass die englisch untertitelte Version, die ich auf ZEE5 gesehen habe, im Vergleich zum Original erheblich gekürzt ist, was ich aber, aufgrund einer fehlenden Vergleichsversion nicht endgültig überprüfen kann. Und Längenangaben im Netz sind bei alten indischen Filmen oft sehr willkürlich. Da mir im weiteren Verlauf nichts aufgefallen ist, könnten Kürzungen vor allem diese fehlende Vorgeschichte betreffen.

Auf die Entführung folgen die Hochzeitsvorbereitungen des kleinen und einzigen Sohnes von Maratha-Offizier Tanaji Malusare in dessen Dorf. Dafür reiten sie zu König Shivaji, um ihn feierlich einzuladen. Tanaji wird von Master Vinayak gespielt, einem großen Star jener Zeit. Der Darsteller des Uday Bhanu ist sein Halbbruder Baburao Pendharkar. Bei König Shivaji gerät die Privatangelegenheit der Hochzeit allerdings schnell in den Hintergrund, denn aus taktischen Gründen will und muss der Herrscher möglichst schnell das Fort Kondhana einnehmen. Und Tanaji will diese Unternehmung anführen.

SINHAGAD ist ein früher indischer Tonfilm. Der leider nicht erhaltene ALAM ARA (1931) gilt als erstes Produkt dieser neuen Technik. Man sieht bei SINHAGAD noch eine gewisse technisch bedingte Statik, die einhergeht mit dem lauten und deutlichen Sprechen der Darsteller, damit man sie gut versteht. Dazu kommt so manche, noch an den Stummfilm erinnernde ausladende Geste. Alles ist direkt aufgenommen und ohne Nachsynchronisierung, auch die Lieder, die mit dem Tonfilm ja schnell unverzichtbarer Teil des indischen Kinos wurden. Diese Songs mit der schönen Musik von Govindrao Tembe wurden geschickt und sinnvoll in die Story integriert. Sie sind teilweise sogar handlungstragend, wenn etwa Soldaten sich ausgerechnet von einem Spion ein Schlaflied wünschen. Und vor allem in einer Szene mit Tanaji, der ein satirisches Volkslied singt, das so gewagt ist, dass es Männer aus dem Fort erstarren lässt. Aber es verschafft ihm einen wichtigen Verbündeten.

Dazu kommt eine äußerst flüssige Erzählung, gekennzeichnet durch den fließenden Wechsel zwischen den verschiedenen Handlungsteilen. Die Rettung der Frauen durch den Ehemann der Freundin, Tanajis Auskundschaften des Forts von innen, eine Hochzeit vor den Toren des Forts, das Warten auf militärische Verstärkung. All das ist geschickt ineinander verwoben. Auch wenn am Ende eine Schlacht steht, geht es in SINHAGAD vor allem um planende Intelligenz gegen Dummheit. Denn das zeichnet Dämonen erfreulicherweise meistens aus: Sie halten sich fälschlicherweise für schlau und gehen so an ihrer Unvorsichtigkeit und sich selbst zugrunde.

Einige Sequenzen stechen durch ihre visuelle Stärke heraus, wobei es sich vor allem um Außenaufnahmen handelt, vermutlich zu einem großen Teil an Originalschauplätzen gedreht. Beeindruckend sind die großen Totalen der Steilwand, an der tatsächlich Menschen hinauf- und hinunterklettern. Höhepunkt ist das stumme Erklimmen des Felsens durch Tanajis kleine militärische Vorhut mit Hilfe einer Warane, eines großen echsenähnlichen Reptils, das sich ganz oben an der Wand in einen Felsvorsprung kauert und so festklammert, dass es das Gewicht mehrer Männer tragen kann. Am Ende findet in dunkler Nacht, nur erleuchtet durch unzählige Fackeln, die kurze, aber sehr wirkungsvolle Schlacht statt. Nur Schwertkämpfer und ihre Schatten füllen das Bild. Dabei stirbt Tanaji. Die Schlacht aber kann, trotz kurzfristiger Entmutigung der Soldaten, siegreich und mit dem Tod auch von Uday Bhanu beendet werden. Die feierlichen und vor allem ikonischen Schlussbilder gehören dem aufgebahrten Tanaji und Shivaji, der um seinen größten Krieger trauert.