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Samstag, 24. April 2021

Subodh Mukherjees APRIL FOOL – Eine patriotische, tragisch-romantische Spionagekomödie

Es ist faszinierend, was für hübsche Seltsamkeiten man hin und wieder in den indischen Filmen der 1960er, als die bunte Mittelstands-Konsum-Gesellschaft die Leinwände des Subkontinents eroberte, entdecken kann. Auch solche deutscher Art: In Shakti Samantas AN EVENING IN PARIS (1967) gibt es beispielsweise die Titelsequenz, zu der Shammi Kapoor das Titellied singt, während er, zwischen nächtlichen Bildern von Eiffelturm und Seine, auf der Hamburger Reeperbahn seinen Spaß hat und mit 60er-Jahre-deutschen Damen flirtet: frühes Bollywood-Feeling trifft auf Wienerwald-Werbung, Holstenbier-Reklame oder Herrenhäuser-Pils-Leuchtschrift. Und besonders das Café Keese ist ganz groß im Bild.

Eine unterhaltsame Sequenz mit mehrfacher weiblicher deutscher Beteiligung gibt es auch in Subodh Mukherjees APRIL FOOL (1964) mit Biswajeet und Saira Banu in den Hauptrollen. Da wird Saira Banu vom Bösewicht gefragt, ob sie vom Hotelzimmer nach unten gehen sollen, denn da wären Tanz und Musik. Und wupps, auf einmal sieht man einen Conférencier, der eine deutsche Badenixengruppe ansagt und man befindet sich in einem großen Schwimmbad, so eines von Sporthallengröße, wie es jedes gut geführte indische Hotel der 60er, das was auf sich hielt, unten im Keller direkt bei der Tanzbar hatte. Dann treten die deutschen Synchronschwimmerinnen auf, die jetzt zu verschiedenster Musik ein professionelles Wasserballett aufführen. Auch Saira Banu kommt noch dazu, hat ganz offensichtlich viel Spaß, die riesige Wasserrutsche herunterzuflutschen und versucht, mit ein bisschen Herumschwimmen, Esther Williams zu ähneln, was natürlich nicht funktioniert, aber ziemlich niedlich ist. Das ist ganz offensichtlich alles improvisiert. Und wenn man schon keine wirklich dolle Story hat, muss man das ja auch beherrschen. Macht das heute einer in Bollywood, wird es bloß ein schlechter Film. Doch was man damals machte, ist nicht immer großartig, nicht einmal immer gut, aber meistens irgendwie sehenswert charmant. Dafür hatte man ein Händchen – vielleicht auch manchmal zwei.

APRIL FOOL ist beileibe nicht der wichtigste Film von Regisseur Subodh Mukherjee, der in den Jahren 1955-1985 bei nur neun Filmen Regie geführt hat. Aber mit den zwei wichtigen Dev-Anand-Filmen MUNIMJI (1955) und PAYING GUEST (1957) und ganz besonders dem Shammi-Kapoor-Klassiker JUNGLEE – der mit dem befreienden Yahoo-Schrei im Schnee – hat er sich in die indische Filmgeschichte eingeschrieben. Mit einer modernen Kriminal-Romanze wie APRIL FOOL gehört er auch, wie Shakti Samanta, zu den Bindegliedern zwischen dem dunklen 40er- und 50er-Kriminalfilm von Stilisten wie Gyan Mukherjee und dem brutaleren, wirkungsvollen, aber oft völlig stillosen Masala-Thrillern der 70er, worauf es in APRIL FOOL mit brutaler Folter durch Elektroschock auch schon mal einen Vorgeschmack gibt.

Die erste Hälfte von APRIL FOOL (1964) ist eine romantische Komödie voller Missverständnisse und Lügen. Sie hält ihn für einen anderen. Er spielt mit, weil er sich auf den ersten Blick verliebt hat. Den Rest kann man sich denken. Da gibt es einige ganz amüsante Szenen, allerdings gehört die witzigste Szene einem ständig wütenden Ehemann, den seine Frau immer beruhigen muss und der sich als sein eigener Hausdiener verkleiden soll. Das ist wirklich komisch. Dazu hübsche Musik von Shankar-Jaikishan in Standardsituationen wie einer Bootsfahrt, dem Laufen um Bäume und durch bunte Blumengärten. Biswajeet hat hier eine Rolle im Stil von Dev Anand und vor allem Shammi Kapoor, und dieses Paar Schuhe ist nicht seine Größe. Biswajeet hat etwas Weiches, und der freche Kerl liegt ihm nicht wirklich. Aber irgendwie geht es halt. Wenn allerdings Biswajeet zu sehr Shammi Kapoors Tanzstil kopiert, möchte ich am liebsten weggucken. Das ist grässlich anzusehen, als wüsste er nicht, wohin mit Armen, Beinen, Körper. Unbeweglichere, ernstere, innerlichere Rollen hingegen passen ihm wie angegossen. In BEES SAAL BAAD (1962), nach Conan Doyles „Der Hund von Baskerville“ (1902), ist er perfekt besetzt. Daher ist es sicher kein Zufall, dass man ihm auch bei einem anderen schönen Mystery-Film, YEH RAAT PHIR NA AAYGI (1966), die Hauptrolle gab.

Dass Biswajeet etwas Altmodisches verkörperte und nicht der geeignetste Vertreter einer modern-poppigen Jugend war, hat natürlich auch der erfahrene Subodh Mukherjee erkannt, also gab er den zweiten Teil des Films an den wahren zeitgemäßen Hero des Films: an Saira Banu. Und das war eine großartige Idee, denn sie ist einfach die wandlungsfähigere Schauspielerin. Daher bekommt sie hier die Doppelrolle, wie sie sonst meistens die Männer spielen. Einmal die brave Beamtentochter und dann die lockerlebige Rita, natürlich eine Christin. Aber das ist Standard im alten Hindifilm, denn Hindumädchen sind immer brav und moralisch. Wusste früher jeder. Banu darf in dem Zusammenhang sogar eine üblicherweise für Tänzerinnen wie Helen reservierte erotische Nachtclub-Nummer tanzen, die ganz großartig ausgeleuchtet ist. Und Banu ist ausgezeichnet, wenn sie erst mal losgelassen.

Zu allem Überfluss will man hier dann auch noch kräftig patriotisch sein. Denn das ist das eigentliche Thema des zweiten Teils. Banus von Jayant gespielter Vater ist ein hoher Mann vom Geheimdienst und es geht um geheime Akten, die ständig gestohlen werden. 1964 befindet man sich schließlich mitten in einer Zeit der Kriege gegen aggressive Staaten wie Pakistan und China. Und so beschließt der Vater, notfalls nicht nur sein eigenes, sondern auch das Leben seiner Tochter zu opfern. Doch Biswajeet findet Auswege. Dies alles jedenfalls führt zu dem seltsamen Filmende, dass es erst einmal irgendwelche, nicht zu identifizierende Doku-Kriegsbilder, inklusive feierlichem Off-Sprecher, von der vermeintlichen Vernichtung des Feindes gibt, ohne im Übrigen diesen wirklich beim Namen zu nennen. Aber das richtige Ende sind dann noch ein paar Bilder und Takte aus einem Liebesduett des Films. Man kann die armen Zuschauer doch schließlich nicht mit Bildern der Zerstörung so einfach nach Hause gehen lassen.