Was man zunächst wissen
muss über Ahmed Khans BAAGHI 3 (2020) mit Tiger Shroff: Der Titel
bedeutet nicht etwa „Baaghi Teil drei“, sondern „Baaghi Nummer
3“. Denn das Baaghi-Franchise kommt ab sofort nicht mehr als
fortlaufende Story, als Wiederholung von Figuren, daher, sondern ganz
einfach als bewährte Marke. Tatsächlich handelt es sich um ein
Remake des Telugu-Films VETTAI (2012) mit R. Madhavan. Die
Tamil-Version TADAKHA (2013) war dann das erste von jetzt insgesamt
vier Remakes. Einschließlich eben BAAGHI 3.
Eine inhaltliche
Rechtfertigung für die Beibehaltung des BAAGHI-Titels kommt ganz am
Ende von Nummer 3, wenn Hauptdarsteller Tiger Shroff aus dem Off
spricht und irgendwas sagt wie, wenn er weiterhin so oder so lebe,
dann sei er halt baaghi“, ein „Rebell“, was natürlich total
idiotisch ist, denn so brav, wie seine Filmfiguren sind, ist und bleibt er der Traum
aller Schwiegermütter. Sollte man übrigens bei diesem
Nummerierungsprinzip bleiben, dann wird es spannend zu sehen sein, ob
man es bis in den dreistelligen Bereich schafft, wenn der jetzt
30-jährige Tiger irgendwann mit Arthritis in Rente geht.
BAAGHI 3 handelt von
einem kampffreudigen jüngeren Bruder, der den älteren immer aus
schwierigen Situationen heraushauen muss. "Rooonnnie" plärrt das
Opfer immer ganz laut, während Ronnie dann wie aus dem Nichts wütend
wie der Hulk angestürmt kommt. Der Vater ist Polizist und wird beim
Einsatz erschossen, als beide noch sehr jung sind. Und ausgerechnet
das Weichei kann dann bei der Polizei anfangen und macht dank der
brüderlichen Hilfe schnell Karriere und wird populär, bis er ganz
am Ende endlich aus sich herauskommt und selbst energisch wird. Dass
das eine seltsame Botschaft, die da über die Polizei vermittelt
wird, hat man vermutlich gar nicht bemerkt.
Das Ganze mündet in
monumental-brachiale Anti-Terrorismus-Action aus zweiter Hand, etwa
was die aus A.R. Murugadoss' Tamil-Film STALIN (2006) geklaute
Licht-an-Licht-aus-Action-Sequenz betrifft, wobei ich natürlich
nicht weiß, ob die schon im Telugu-Original enthalten ist. Überhaupt
habe ich den Eindruck, dass Shroff mit seiner total irrealen Action vor allem das Südkino als Vorbild hat. Die Vorwürfe der
fehlenden Logik und der unmöglichen
Actionszenen sind daher völlig blödsinnig. Das gehört
schließlich besonders im Süden zum Prinzip. Mir gefällt das. Und
wer's nicht mag, braucht ja nicht hinzugucken, um dann hinterher
dummdämliche Hasstiraden im Netz loszulassen.
Tiger Shroff hat in
BAAGHI 3 diesmal alles richtig gemacht. Zumindest für sich und seine
Fähigkeiten. Das macht den Film, der einfache und schnell vergessene
Unterhaltung ohne schlechtes Gewissen ist, zwar nicht groß, aber es
gibt keine störenden Elemente mehr. Diesmal muss man kein langes
Herumromanzen mit einem Mädchen ertragen. Die Liebesgeschichte ist
als Pflichtübung zwar da, ist aber – bildlich gesprochen –
schnell vollzogen. Boy und Girl kommen ohne viel Täterä zusammen,
und alles funktioniert auch eher auf der Kumpelschiene. Keine
Tigerfell-Romantik mehr, hoffentlich bleibt das so.
Die wahre
Liebesgeschichte spielt sich sowieso woanders ab. Die wahre Romantik
existiert zwischen den zwei Brüdern. Wenn er das Bruderherz ansieht,
hat Tiger Shroff ganz feuchte und gerührte Augen, die die Freundin
verkörpernde Shraddha Kapoor bei ihm nicht mal ansatzweise
hervorzaubert. Aber die ist ja sowieso ein bisschen blöd und rennt
auf der Suche nach Netzempfang mit ihrem Handy aufs vollbesetzte
Pissoir des Männerklos. Männerfantasien halt.
Tiger Shroff kann hier
also nach Herzenslaune kämpfen und tanzen, Letzteres eigentlich ein
bisschen zu wenig, wobei ich jetzt nicht mitgezählt habe. Beim
Tänzen kann er entspannt lachen und lächeln. Beim Kämpfen kann er
ausdruckslos verbissen gucken. Das sind ungefähr die beiden
schauspielerischen Mittel, über die er verfügt. Dass ich vielleicht gegenüber Shroff kritischer
bin als sonst, liegt ganz einfach daran, dass der neue BAAGHI nicht
mehr, wie die anderen beiden, ein sympathischer kleiner B-Film ist,
sondern dass man jetzt gezielt versucht, in den
Bollywood-Superstar-Olymp aufzusteigen. Und da gelten andere Maßstäbe. Es sei ihm gegönnt, wenn die
Massen ihn auf Dauer wollen, aber ich bin skeptisch.
WAR (2019) war zwar klasse und
verdient erfolgreich, aber das liegt ja an dem ausgezeichneten Regisseur
Siddharth Anand. Und bisher war Shroff doch vor allem ein Actionheld
für die Damen, für die er sich immer eine bestimmte Zeit lang oben
ohne präsentieren muss, um ausreichend Material für den „weiblichen
Blick“ zu liefern. Was ich mich frage, ist, ob er auf Dauer auch
ein Actionheld für Männer wird. Ein umjubelter Superstar will er
jedenfalls mit aller Macht werden. In BAAGHI 3 lässt er sich jetzt
sogar den Segen des Vaters Jackie Shroff geben: „Ich bin stolz auf
dich, mein Sohn.“ Und dann steht er auf dem Dach eines Hauses und
wird von überall her bejubelt. Männerfantasien halt.