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Samstag, 20. Juni 2020

Shoojit Sircars GULABO SITABO – Gier, Geiz und Gähnen


Shoojit Sircar hat mit GULABO SITABO (2020) einen neuen Film gedreht, und das Drehbuch ist, wie könnte es anders sein, von Juhi Chaturweda. Und nach PIKU (2015) und VICKY DONOR (2012) haben sie gemeinsam wieder einen Film gemacht, der jeden Liebhaber des gepflegten, gedehnten, pseudo-bedeutungsvollen Feelgood-Kinos mit dem berühmten stillen Humor, ein anderes Wort für müdes Lächeln, mit banaler, aber penetrant zwei Stunden lang dargebrachter Botschaft, und mit einer sich anbiedernden Zeitgeist-Schlusspointe zu Begeisterungsstürmen hinreißen wird. Jeder, der von Film ein bisschen mehr erwartet, aber trotzdem zu viel Disziplin hat, um einfach auszuschalten, wird ständig auf die Uhr gucken, währenddessen über das faszinierend krasse Missverhältnis zwischen gefühlter und gemessener Zeit meditieren, und den Beginn des Nachspanns, das Beste am Ganzen, als Befreiung empfinden.

Alles dreht sich um ein altes Haus, einen alten Stadtpalast in Lucknows historischen Viertel. Das Haus ist ein verfallenes Überbleibsel aus der Vergangenheit, und Hauptfigur Mirza, 76 Jahr, ist sozusagen das menschliche Spiegelbild dieses Gemäuers. Mirza hat auf eine absurde Weise nur Geld im Kopf, klaut Glühbirnen und Fahrradklingeln und verkauft sie. Er träumt davon, endlich alles für sich zu haben, denn genau genommen gehört nichts ihm, sondern seiner 18 Jahre älteren Frau, auf deren Tod er wartet. Dann gibt es da noch Mieter, die er am liebsten weg haben möchte. Und dazu gehört sein Gegenspieler, der Besitzer einer kleinen, schlecht gehenden Weizenmühle. Dazu kommt korruptes Interesse des Staates an dem Haus, vor allem der Denkmalbehörde. Und dazu kommt noch ein Kaufinteressent. Alles ist nach dem Motto viel Lärm um nichts künstlich konstruiert, da kann man schnell das Interesse an Menschen und Geschichte verlieren. Ich weiß nicht, ob man den vollen Überblick behalten kann, wenn man sich denn bemüht.

Konstruiert und künstlich ist auch und vor allem das Spiel von Amitabh Bachchan, dem grobe Gesichtszüge als Maske ins Antlitz gepflanzt wurde. Damit schlurft er dann langsam und gebeugt durch die Gegend, und es ist, als würde er so den ganzen Film niederdrücken. Ob er den trägen Rhythmus des Films beeinflusst hat oder ob er sich angepasst hat, ist schwer zu beurteilen, aber das eine bedingt irgendwie das andere. Aber egal, wie herum, das alles kriecht so selbstverliebt träge dahin, dass man ihn, genauso wie den Film, anschieben möchte. Auch Ayushmann Khurrana als Mann mit der Mühle, mit Bauchansatz, hat sich ein bisschen schwerer gemacht als sonst. Aber das sind isolierte Solonummern. Da ist keine Figur, für die man sich wirklich interessiert. Selbst die 94-Jährige, die mit einer alten Liebe durchbrennt, ist mehr ein Drehbucheinfall, als dass man wirklich dran glaubt. Eine Drehbuchpointe, bei der man das Klappern der Tastatur zu hören meint.

Alles plätschert dahin zum Rhythmus der Musik, bis man sie nicht mehr hören kann. Da ist eine einzige Szene, bei der man aufwacht, bei der ganz kurz Hoffnung aufkeimt: Wenn die Mauer zur Toilette nach einem Tritt plötzlich einstürzt, während einer drin sitzt. Da denkt man, jetzt geht es los. Das ist die Initialzündung, damit irgendwas passiert. Komik, Absurdität, Tragik, Satire, Slapstick, was weiß ich... Die kurz gekeimte Hoffnung geht schnell wieder ein. Es bleibt die völlig leblose, teilnahmslos wirkende Verfilmung eines durchkomponierten Drehbuchs, das sich zu keiner einzigen authentischen Emotion aufraffen kann und sich stimmungsmäßig für die unendliche Schwerfälligkeit entschieden hat. Eine Schwere, die man physisch zu spüren meint. Ein schönes Beispiel dafür, dass ein Film nicht die Summer aller Einzelteile, sondern etwas mehr ist, und dass ein mustergültig konstruiertes Drehbuch allein nicht ausreicht.