Shoojit Sircar hat mit
GULABO SITABO (2020) einen neuen Film gedreht, und das Drehbuch ist, wie
könnte es anders sein, von Juhi Chaturweda. Und nach PIKU (2015) und
VICKY DONOR (2012) haben sie gemeinsam wieder einen Film gemacht, der
jeden Liebhaber des gepflegten, gedehnten, pseudo-bedeutungsvollen
Feelgood-Kinos mit dem berühmten stillen Humor, ein anderes Wort für
müdes Lächeln, mit banaler, aber penetrant zwei Stunden lang
dargebrachter Botschaft, und mit einer sich anbiedernden
Zeitgeist-Schlusspointe zu Begeisterungsstürmen hinreißen wird.
Jeder, der von Film ein bisschen mehr erwartet, aber trotzdem zu viel
Disziplin hat, um einfach auszuschalten, wird ständig auf
die Uhr gucken, währenddessen über das faszinierend krasse
Missverhältnis zwischen gefühlter und gemessener Zeit meditieren,
und den Beginn des Nachspanns, das Beste am Ganzen, als Befreiung
empfinden.
Alles dreht sich um ein
altes Haus, einen alten Stadtpalast in Lucknows historischen Viertel.
Das Haus ist ein verfallenes Überbleibsel aus der Vergangenheit, und
Hauptfigur Mirza, 76 Jahr, ist sozusagen das menschliche Spiegelbild
dieses Gemäuers. Mirza hat auf eine absurde Weise nur Geld im Kopf,
klaut Glühbirnen und Fahrradklingeln und verkauft sie. Er träumt
davon, endlich alles für sich zu haben, denn genau genommen gehört nichts ihm, sondern seiner 18 Jahre älteren Frau, auf deren Tod er
wartet. Dann gibt es da noch Mieter, die er am liebsten weg haben
möchte. Und dazu gehört sein Gegenspieler, der Besitzer einer
kleinen, schlecht gehenden Weizenmühle. Dazu kommt korruptes
Interesse des Staates an dem Haus, vor allem der Denkmalbehörde. Und
dazu kommt noch ein Kaufinteressent. Alles ist nach dem Motto viel
Lärm um nichts künstlich konstruiert, da kann man schnell das
Interesse an Menschen und Geschichte verlieren. Ich weiß nicht, ob
man den vollen Überblick behalten kann, wenn man sich denn bemüht.
Konstruiert und künstlich
ist auch und vor allem das Spiel von Amitabh Bachchan, dem grobe
Gesichtszüge als Maske ins Antlitz gepflanzt wurde. Damit schlurft
er dann langsam und gebeugt durch die Gegend, und es ist, als würde
er so den ganzen Film niederdrücken. Ob er den trägen Rhythmus des
Films beeinflusst hat oder ob er sich angepasst hat, ist schwer zu
beurteilen, aber das eine bedingt irgendwie das andere. Aber egal,
wie herum, das alles kriecht so selbstverliebt träge dahin, dass man ihn,
genauso wie den Film, anschieben möchte. Auch Ayushmann Khurrana als
Mann mit der Mühle, mit Bauchansatz, hat sich ein bisschen schwerer
gemacht als sonst. Aber das sind isolierte Solonummern. Da ist keine Figur, für
die man sich wirklich interessiert. Selbst die 94-Jährige, die mit
einer alten Liebe durchbrennt, ist mehr ein Drehbucheinfall, als dass
man wirklich dran glaubt. Eine Drehbuchpointe, bei der man das
Klappern der Tastatur zu hören meint.
Alles plätschert dahin
zum Rhythmus der Musik, bis man sie nicht mehr hören kann. Da ist
eine einzige Szene, bei der man aufwacht, bei der ganz kurz Hoffnung
aufkeimt: Wenn die Mauer zur Toilette nach einem Tritt plötzlich
einstürzt, während einer drin sitzt. Da denkt man, jetzt geht es
los. Das ist die Initialzündung, damit irgendwas passiert. Komik,
Absurdität, Tragik, Satire, Slapstick, was weiß ich... Die kurz
gekeimte Hoffnung geht schnell wieder ein. Es bleibt die völlig
leblose, teilnahmslos wirkende Verfilmung eines durchkomponierten
Drehbuchs, das sich zu keiner einzigen authentischen Emotion
aufraffen kann und sich
stimmungsmäßig für die unendliche Schwerfälligkeit entschieden hat. Eine Schwere, die man physisch zu spüren meint. Ein schönes Beispiel dafür, dass ein
Film nicht die Summer aller Einzelteile, sondern etwas mehr ist, und
dass ein mustergültig konstruiertes Drehbuch allein nicht ausreicht.