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Donnerstag, 12. September 2019

Sujeeths SAAHO – Möchte gern genial sein


Verrisse und Lobeshymnen haben etwas gemeinsam. Man kann sich hineinsteigern. Und dabei richtig Spaß haben. Nur dass es bei Lobeshymnen nicht sonderlich schlimm ist, wenn man übertreibt. Was macht es schon, wenn man einen Film vor Begeisterung besser macht, als er ist? Bei Verrissen ist das etwas anderes. Da muss man aufpassen, die Grenzen nicht zu überschreiten, damit man nicht etwas schreibt, dass einem später leid tun könnte. Filmregisseur Truffaut war in seiner Zeit als Kritiker zu jeder Bösartigkeit fähig. Als er Mitte der 70er ein Buch mit seinen wichtigsten Kritiken zusammenstellte, nahm er nicht eine einzige deftige Rezension mit hinein. Kollege Godard fand das unehrlich. Vielleicht. Aber um so was überhaupt zu verhindern, können Verrisse schrecklich viel Arbeit machen, vor allem wenn die Filme von Leuten sind, die man sonst uneingeschränkt mag. Ich weiß noch, wie ich mich abgequält habe bei einem Artikel zu Ashutosh Gowarikers MOHENJO DARO (2016), um genau darzulegen, was meiner Meinung nach so schrecklich schief gegangen ist bei dem Film. Übrigens hätte ich nicht erwartet, einen Film mit Süd-Star Prabhas nicht zu mögen.

Ändert aber nichts an der Tatsache: Für mich ist der Heist-Actionthriller SAAHO (2019) von Regisseur Sujeeth der erste indische Kinofilm in diesem Jahr, an dem ich einfach nichts Gutes finden kann. Gar nichts. Klar, die Kinder im Saal haben es wohl gemocht, wie ich hinterher den Eindruck hatte. Krach, bum, Glamour, Glitzer. Wie eine leider schlecht gelaunte Achterbahnfahrt. Und die PR-Propaganda um die Einspielergebnisse ließ tatsächlich denken, dass das Publikum es anders sieht als die Kritiker. Aber die Zahlen täuschen. Im Kino wird der Film seine hohen Kosten wahrscheinlich nicht einspielen. Es hat sich nach dem ersten Ansturm also doch herumgesprochen. Dass beispielsweise die Gags nicht lustig sind. Dass es echt anstrengend war, überhaupt nicht zu denken, damit man jedenfalls so tun konnte, als mache die Aneinanderreihung einzelner Szenen irgendeinen Sinn. Dabei machen mir sinnfreie Bollywoodkomödien ja oft viel Spaß, aber hier war alles viel zu angestrengt und verbissen. Selbst der ausladende, schnelle Stil mit den Schnitten und den Einstellungswechseln wirkte verkrampft und unnatürlich. Bei den Action-Szenen habe ich bloß die Programmierer am Computer vor mir gesehen. Und die Musik … War da etwas, was sich Musik nennen dürfte?

Natürlich gibt es Zuschauer, die einen ganzen Film durch in Form einer Art Tunnelblick nur auf ihren Star-Helden achten und sich keine Gedanken um irgendwelche filmischen Qualitäten machen. Das ist auch eine Art, einen Film zu gucken. Aber leider fand ich hier selbst die Stars in Haupt- und auch Nebenrollen fürchterlich blass und orientierungslos. Routiniert spielten sie ihr Pensum herunter. Sowohl Prabhas wie auch dem ganzen Film fehlt etwas, was ein Film über einen genialen Dieb haben müsste: Charme. Das einzig Gute an dem Ganzen ist eigentlich, wie eindringlich der Film unfreiwillig beweist, dass das indische Kino zwar dem Marketing nach ein Starkino, ein Heldenkino ist. Aber in Wirklichkeit hängt eben doch alles vom Regisseur ab. Wie schon Kareena Kapoor einmal in einem Filmfare-Interview festgestellt hat. Und sie hat recht. Auch ein Prabhas kann nicht von alleine funktionieren und das Charisma wie in Rajamoulis BAHUBALI (2015) versprühen. Dabei wird rein formal alles getan, um ihn ikonisch herauszustellen, inklusive BAHUBALI-Verweisen, was aber gar nicht ironisch, sondern eher hilflos wirkt. Da springt er vom Felsen, da wird er von einem Raubtier angegriffen. Und am Ende gibt es noch ein bisschen Endzeit-Wüstenfilm.

Auf dem Papier muss SAAHO sich gut angehört haben. Und es gibt ja wirklich eine schöne und lange Tradition des fantasievollen Krimis und Agentenfilms im indischen Kino. Wer ihn nicht kennt, sollte sich mal Vijay Anands JEWEL THIEF (1967) mit Dev Anand angucken. Auch mit Shammi Kapoor hat Vijay Anand solch einen unterhaltsamen Thriller gedreht: TEESRI MANZIL (1966). Der Regisseur bei SAAHO heißt ja, wie erwähnt, Sujeeth und es ist sein zweiter Film nach einem Werk aus dem Jahre 2014. Vermutlich hat er ein paar Jahre an dem Drehbuch gesessen und hat dabei jede Idee, die ihm in dieser Zeit gekommen ist, die er aus einem anderen Film geklaut hat, notiert und dann alles in einen einzigen Film gepackt. Daher gibt es in diesem Film nur einen Anwärter auf den Herrscherthron des genialen Diebes. Das ist der Regisseur. Nicht Prabhas. In einer Mischung aus Dilettantismus, Selbstverliebtheit oder vielleicht der reinen Panik, zu wenig oder einen Fehler zu machen, wirkt der Film eher wie eine Parodie auf den deftigen Stil der Blockbuster aus dem Süden. Gleichzeitig ist der Regisseur offensichtlich so stolz auf seine visuelle Welt, dass man direkt hören kann, wie er sich ständig auf die Schulter geklopft hat. Er hat dabei den Film als großes Ganzes vergessen.

Donnerstag, 22. August 2019

MISSION MANGAL – Indische Haushaltswissenschaft

Wie dreht man mit MISSION MANGAL (2019) einen kurzweiligen 2-Stunden-Film über die erfolgreiche Mars-Satelliten-Mission der indischen Raumfahrtbehörde IRSO (Indian Space Research Organisation) im Jahre 2013, bei der es einmal um einem Haufen bürokratischer Streitigkeiten und dann vor allem um mathematische und naturwissenschaftliche Details geht. Wie mache ich alles leichter und kleiner? Wie verbrauche ich weniger Treibstoff? Die Wirklichkeit muss eine detektivisch-akribische Kleinarbeit gewesen sein, die vermutlich spannender war als alles, was der Film erzählt. Aber ein Mainstream-Film, ein „Familien-Blockbuster“, wie es in der Werbung lautet, kann natürlich nur die Oberfläche streifen, sodass es, im wahrsten Sinne des Wortes, jedes Kind versteht. Wobei man sagen muss, dass der Film ganz gut darin ist, die Erklärungen und Zusammenhänge unterhaltsam zu vermitteln. Ein Kompliment an die Drehbuchautoren, darunter Regisseur Jagan Shakti und der allseits bekannte R. Balki.

Vor allem zeigt man das Privatleben der Wissenschaftler, tatsächlich Menschen wie du und ich, von jedem so ein kleines Mosaiksteinchen. Taapsee Pannu kann nicht Auto fahren. Sonakshi Sinha muss morgens rechtzeitig die Männer aus dem Schlafzimmer werfen, damit die Reinmachefrau keinen moralischen Herzanfall bekommt. Eine andere, Moslemin, bekommt wegen ihres Namens keine Wohnung vermietet. Nur der Leiter des Teams, Akshay Kumar, hat kein Privatleben. Er ist mit seinem Beruf verheiratet. Soll es ja auch geben. Bloß über die von Vidya Balan gespielte Frau und ihre Familie erfährt man etwas mehr. Und wenn dann das Forscherteam mit schmalem Budget einfallsreich sein muss, kommt die Inspiration oft aus eben diesem Privatleben, aus den Erfahrungen des täglichen Haushalts. Das sind dann Lösungen, über die manch gestandener Bürokraten-Mann erst einmal lacht, die aber rückwirkend betrachtet so einfach und augenfällig erscheinen, dass man sich besorgt fragt, warum noch niemand vorher darauf gekommen ist. Vielleicht sorgt zu viel Geld ja für gedankliche Bequemlichkeit.

Und deshalb erzählt der Film uns, dass es kein Unmöglich gibt. Mir hat das übrigens vor langer Zeit der große amerikanische Filmregisseur Allan Dwan beigebracht, der in dem empfehlenswerten Interviewbuch „The Last Pioneer“ eine lehrreiche Anekdote erzählt. Bei Stummfilmdreharbeiten in der Prärie übernachtete er einmal im Haus eines Pfarrers, dessen Frau eine brillante Köchin war. Als sie ihn fragte, wie er sein Frühstücksei wolle, sagte er, vermutlich etwas aus Übermut, „halb gekocht, halb gebraten“. Aber das ist es, was er bekam. Die Dame kochte ein weiches Ei, schnitt ein Ende auf, ließ etwas herausfließen und briet es. Der Rest blieb gekocht. Und so aß er sein Ei, wie gewünscht, „halb gekocht, halb gebraten“. Dwan sagte: „Damit übertrumpfte sie Christopher Columbus. Und es lehrte mich, dass nichts unmöglich ist. Wann immer ich auf ein schweres Problem stoße, denke ich an dieses Ei.“ Da ich jetzt eh schon abschweife, interessiert es die Freunde der Wissenschaftsgeschichte vielleicht, dass Dwan ursprünglich Ingenieur und bei der Peter Hewitt Company in Chikago Mitentwickler der Quecksilberdampflampe war, die man dann auch beim Film einsetzte und die der Vorläufer der Neonlampe war.

Aber diese Art, an Probleme heranzugehen, ist natürlich eine besondere Haltung, eine halb instinktive, halb intellektuelle Einstellung, die mit bürokratischem Dienstabreißen in einer staatlichen Behörde nicht zu verbinden ist. Deshalb geht es in dem Film auch um Motivation. Und an dem Punkt wird der Satellitenfilm zum Sportfilm. Mannschaftssport natürlich. Die Beispiele aus dem Sport, die hier in Dialogen gebraucht werden, sind nicht zufällig. Es geht um ein Team aus begabten, aber hauptsächlich jungen und unerfahrenen Leuten, denen keiner etwas zutraut, die aber ihr wahres Potential entdecken. Im Film wird als sportliches Gleichnis der indische Gewinn des Cricket World Cup im Jahre 1983 genannt. Patriotismus ist hier natürlich auch eine Motivation, denn man macht es nicht allein für sich. Und irgendwie spricht der Film gleichzeitig auch immer das Kinopublikum an. Und wird dadurch auch zum Werbefilm.

Ein Werbefilm für die Raumfahrt und die Wissenschaft allgemein und vor allem für Frauen in den Wissenschaften, denn das Team besteht vornehmlich aus Frauen. Es geht um Begeisterung für die Wissenschaft, um weibliche Begeisterung für die Wissenschaft. Deshalb sollte dieser Blogbeitrag auch erst „Frauen auf den Mars“ heißen, aber dann begann ich zu befürchten, dass man das missverstehen könnte. Und das passiert heutzutage so schnell. Und es geht um junge weibliche Begeisterung. Und wenn die deutschen Unis mal wieder Programme zu „mehr Mädchen in Physik“ oder so was machen, sollten sie einfach diesen Film zeigen. In seiner Wirkung ist er sehr überzeugend und funktional. Obwohl man dann natürlich fürchten muss, dass plötzlich alle später nach Indien wollen. Wegen fehlender Möglichkeiten hierzulande. 

Dabei wäre es ja irgendwie schön, wenn man sich in Deutschland mal ganz praktisch für etwas anderes begeistern könnte als für den Temperatur-Weltuntergang. Dann würden die Rezepte dagegen vielleicht auch nicht so fürchterlich den brillanten Methoden gegen radioaktiven Fallout in den 1950ern ähneln: Buch über den Kopf und unter den Tisch kriechen. In MISSION MANGAL braucht man keine "Klimawandel-Ersatzreligion für eine atheistische Gesellschaft", wie jemand es vor Jahren schön ausgedrückt hat. In MISSION MANGAL existieren durch die Figur von Vidya Balan und das, was sie darüber sagt, Gott und Wissenschaft ganz selbstverständlich und problemlos miteinander und nebeneinander. Deshalb kann man sich mit wichtigen Dingen beschäftigen. Gestern stand noch in Welt Online, dass Deutschland bei Raumfahrt nur noch dumm zuguckt. Jetzt könnte man natürlich sagen, dass das sehr philosophisch und weise ist, denn an sich wird die Menschheit durch Raumfahrt nicht glücklicher. Leider ist es aber doch viel eher eine deutsche stupide Trägheit und Verblödung, die es früher nicht gab und die seltsamerweise nur wenigen unheimlich vorkommt. Jetzt bin ich wieder abgeschweift... Aber zu MISSION MANGAL gibt es einfach nicht viel mehr zu sagen. Der Film ist sympathisch und macht Spaß. Das reicht doch schon.

Freitag, 16. August 2019

Ritesh Batras PHOTOGRAPH – Ein Foto und zwei Fremde

Zwei Menschen, die etwas neben sich stehen, während sie leicht automatisiert ihr Leben in immer denselben Bahnen leben, sind die Hauptfiguren von Ritesh Batras neuem Film PHOTOGRAPH (2019), der in seinem deutschen Titel noch das schwerfällige und eher abschreckende Anhängsel EIN FOTO VERÄNDERT IHR LEBEN FÜR IMMER bekommen hat. Da ist einmal die schweigsame Einserstudentin, eine angehende Wirtschaftsprüferin, Tochter einer gut bürgerlichen Familie. Und dann ist da der Straßenfotograf mit seinem Hauptstandort Gateway of India, dem Touristensammelpunkt, in dessen direkter Nähe auch das berühmte Taj-Mahal-Hotel liegt. Beide funktionieren perfekt, leben aber etwas auf Distanz zu den Menschen in ihrer Nähe. Bei einem dieser Bilder, die der Photograph von Touristen und Passanten macht und dann auf seinem kleinen portablen Drucker ausdruckt, gerät er an das Mädchen, doch sie verschwindet, bevor sie das Foto bekommen und es bezahlen kann. Einer angehenden Wirtschaftsprüferin sollte so was eigentlich nicht passieren.

Der Clou des Films besteht nun darin, dass es hier keine Liebe auf den ersten Blick gibt. Da sucht nicht der eine den anderen mit brennendem Herzen. Es ist eine ganz sachliche Angelegenheit, die die beiden wieder zusammenkommen lässt. Denn um Ruhe zu haben vor seiner auf dem Land lebenden Großmutter, damit die ihn endlich mit ihrem Drängen auf eine Heirat in Frieden lässt, schreibt er ihr eines Nachts einen Brief und legt das Foto dieser Fremden als seine vermeintliche Braut dazu. Dass er damit rechnen muss, dass die Oma das Mädchen jetzt kennen lernen will, hätte ihm natürlich klar sein müssen, aber dann gäbe es ja keinen Film. Und das wäre doch schade. Durch einen Zufall findet er das Mädchen wieder und bittet sie, für die scharfsinnige Oma so zu tun, als wäre sie seine Braut. Indem sie dann gemeinsam Ehepaar und zusammen mit der alten Frau sogar Familie spielen, lernen diese beiden Menschen sich langsam näher kennen, was wegen der Klassen- und Herkunftsunterschiede normalerweise nicht passieren würde. Es ist wie eine von Gott arrangierte Ehe. Die Liebe kommt später, still und ganz langsam.

Vor einigen Jahren war Ritesh Batras kleiner Liebesfilm LUNCHBOX (2013) mit Nawazuddin Siddiqui ein viel beachteter internationaler Erfolg. Das Muster dieses Films hat der Regisseur für PHOTOGRAPH wiederholt: Zwei Fremde finden langsam zueinander und vielleicht auf lange Sicht aus ihrem einschläfernden Alltagstrott heraus in etwas Neues. Dann drehte Batra zwei Filme im Ausland. Erst die Netflix-Produktion OUR SOULS AT NIGHT (2017) mit Robert Redford und Jane Fonda. Und dann fürs Kino die britische Literaturverfilmung DAS ENDE EINER GESCHICHTE (2018) mit Jim Broadbent und Charlotte Rampling. Gut besetzt sind alle seine Spielfilme, das ist sozusagen die halbe Miete für das Gelingen seiner Filme. Das gilt auch für PHOTOGRAPH mit Nawazuddin Siddiqui und der aus dem Ringer-Film DANGAL (2016) bekannten Sanya Malhotra, die beide zu einer stillen und subtilen Spielweise fähig sind. Zwei im Vergleich zu Batras internationalen Filmen also wieder jüngere Helden, auch wenn da natürlich noch die extrovertierte alte Großmutter in der Gestalt von Farrukh Jaffar ist, die man aus Filmen wie UMRAO JAAN (1981), SWADES (2004) mit Shah Rukh Khan oder SULTAN (2016) mit Salman Khan kennt. Dann ist da noch Jim Sarbh als etwas zu zudringlicher Lehrer. Eine echte kleine Starbesetzung also, die ganz wunderbar funktioniert.

Batra benutzt eine Story des populären Kinos, erzählt sie nur etwas einfacher, realistischer, stiller, aber auch mit leisem Humor und Ironie. Obwohl der Realismus ein bisschen auch ein Schein-Realismus ist, wenn man mal anfängt, die logischen Details der Geschichte genauer zu untersuchen. Aber es ist ein sympathisches Kino, dass es weder auf das große stilistische, visuelle Meisterwerk anlegt, noch durch aufgesetzte Düsternis auf den internationalen Festivals um Aufmerksamkeit fleht. Batra scheut die großen Konflikte, die tiefen Abgründe. Egal, was passiert, es herrscht immer eine gewisse Harmonie vor, aber immer eingebettet in eine realistische, authentische, bodenständige Atmosphäre und eine ökonomische Erzählweise mit Leerstellen, also ohne dass es diese unangenehme, ausgedehnte, alles aussprechende Feelgood-Movie-Anbiederung ohne jedes Geheimnis gibt, die bei mir eine dumpfe geistige Leere erzeugt. Um jetzt mit dieser Aussage nicht zu abstrakt zu bleiben, hier zwei Beispiele: Trotz der wunderbaren Schauspieler, die mitspielen, fallen für mich in diese Kategorie die beiden Filme von Gauri Shinde, ENGLISH VINGLISH (2012) und DEAR ZINDAGI (2016). Und übrigens viele der französischen bürgerlichen Komödien der letzten Jahre.

Aber so groß die Distanz zum knallig-bunten Bollywood-Film bei Batra auch ist, so ist die Musik im indischen Alltag nun mal so allgegenwärtig, dass es auch in PHOTOGRAPH ein bisschen muntere Klänge gibt. Und ins Kino geht man auch, aber nicht in ein Multiplex, sondern in ein billiges, ein One-Screen-Kino, das ältere Filme zeigt und in dem die eine oder andere Ratte auch ohne Dauerkarte durch die Zuschauerreihen huscht. Denn anhand der beiden Figuren erzählt Batra vor allem von zwei Lebenswelten. Einmal die der städtischen, bürgerlichen, wohlgeordneten Welt. Und dann die der Welt der Zuwanderer vom Land, die zwar in der Stadt arbeiten, deren Gedankenwelt aber noch sehr ländlich und traditionell ist und die ihr Geld meist an die Familie schicken. Und das Mädchen findet nicht nur Gefallen an dem Mann, sondern vor allem auch an der Welt, die er und seine Großmutter verkörpern. Die schönste und ironischste Darstellung der Unterschiede zwischen beiden Welten ist, dass die einen von Straßenständen essen können, ohne krank zu werden. Das Mädchen jedoch bekommt von hausgemachtem Wassereis eine kleine Darmverstimmung. Wie eine Touristin also, die das echte Indien nicht gewohnt ist. Und bei aller Harmonie schwelt eine gewisse Düsternis unter der Oberfläche, denn einer der Zimmerbewohner der Zuwanderer hat sich vor einiger Zeit am Ventilator aufgehängt und spukt seitdem durch den Raum. Tatsächlich erscheint er in einer Szene dem Protagonisten, der ihn fragt, warum er das getan habe. Tiefe Ursache war wohl das, was auch der Film erzählt. Eine ungleiche Liebesgeschichte.

Mittwoch, 24. Juli 2019

Hrithik Roshan in SUPER 30 – Der Lehrer

Das Warten hatte also endlich ein Ende. SUPER 30 (2019) kam in die Kinos. Und die Zuschauer können einen spannenden und flüssig erzählten Film entdecken, der gleichzeitig eine soziale Botschaft beinhaltet. Daher wurde er in einigen indischen Bundesstaaten von der Steuer ausgenommen. Der Film handelt von Anand Kumar, dem international bekannten Lehrer, der mittellose junge Menschen auf die Zugangsprüfung der indischen technischen Elite-Unis, ITT genannt, vorbereitet. Da die Geschichte an sich bekannt und vorhersehbar ist, bestand die Kunst also darin, es trotzdem interessant zu machen. Und da ist zu aller erst natürlich der Star, und zwar mit Hrithik Roshan einer der charismatischsten. Aber auch einer der hellhäutigsten. Über seine leichte Gesichtsbräunung rümpften manche Kritiker die Nase. Mir ist so was egal.

Woran ich mich auch nicht festbeißen werde, und auch gar nicht könnte, selbst wenn ich wollte, das ist sein Akzent, bei dem ich natürlich nicht beurteilen kann, ob er falsch klingt oder nicht. Obwohl ich durchaus höre, dass er sehr, stark ist. Aber es gab ja schon andere Schauspieler, die in der Beziehung zu viel Ehrgeiz hatten. Kim Novak hat mit ihrem unnatürlichen, verkrampften Cockney-Akzent in ON HUMAN BONDAGE (1964) ihre Regisseure zur Verzweiflung gebracht. Und so gut mir Roshan vor allem in den kämpferischen, tatkräftigen oder auch düsteren Szenen gefällt, so sehr geht er mir auf die Nerven als junger Naiver mit diesem Lächeln und den großen, großen Augen. Das erinnerte mich an seine Darstellung in KOI MIL GAYA (2003) und den Film habe ich bis heute nicht bis zum Ende geguckt.

Bei der visuellen Gestaltung schon spürt man den Willen, bei dem Thema bloß nicht dröge zu wirken, es nicht wie ein graues Sozialdrama aussehen zu lassen. Die Naturgewalten spielen eine große Rolle, steigern die Dramatik, sind aber auch symbolisch, so wie Regen und Gewitter, als die Brüder versuchen, den Vater mit dem Fahrrad zum Krankenhaus zu bringen und dann die Kette reißt. Da geht die Kamera weit nach oben in die Vogelperspektive, als guckte das Schicksal mitleidlos von oben zu. Aber dann sind es auch wieder Stationen zu dem, was im Film jedenfalls wie Kumars Bestimmung wirkt. Denn nur durch den Tod des Vaters fährt er selbst als Verkäufer herum, um die Familie zu ernähren. Und nur dadurch rutscht er in das Geschäft mit der Nachhilfe.

Der Film ist sehr temporeich, intensiv erzählt, dicht geschnitten und passt sich dem schnell denkenden Hirn der Protagonisten und der energiegeladenen Darstellung Roshans an. Dennoch habe ich mich während der Kinovorstellung immer wieder gefragt, ob der Film in der Beziehung eigentlich noch ein Film von Vikas Bahl ist oder ob Anurag Kashyap dem Ganzen sehr heftig seinen Stempel aufgedrückt hat. Oder sagen wir es anders herum: Ich hätte den Film zwar vom Thema her, aber nicht vom Stil her für einen Film von Vikas Bahl gehalten. Der ist der entspannte Regisseur der Träume, des Wirklichwerdens des Unmöglichen. Sein letzter, sehr schöner, sehr poetischer und, wenn ich mich recht erinnere, zwischendurch sehr witzige Film war ja SHAANDAAR (2015), ein unverdienter Riesenflop, den aber jetzt auf einmal alle wunderschön finden. Wo waren die Leute bloß damals im Kino? Davor hatte er mit Kangana Ranaut QUEEN (2014) gedreht, die Geschichte einer jungen Frau, die entdeckt, dass sie ein eigenes Leben haben kann. Sie realisiert sozusagen den Traum von sich selbst. Und ganz am Anfang stand der auch für Erwachsene empfehlenswerte Kinderfilm CHILLAR PARTY (2011), eine gemeinsame Arbeit mit Nitesh Tiwari, der zuletzt den Aamir-Khan-Erfolg DANGAL inszeniert hat. Wenn die armen Jugendlichen sich in SUPER 30 mit selbstgebastelten Waffen gegen einen mörderischen Angriff wehren, dann erinnert das an den Erfindungsreichtum, mit dem die solidarischen Kinder in CHILLAR 30 gegen die Eltern und die Erwachsenenwelt vorgehen. Was alle diese Filme gemeinsam haben, ist, dass sie dem Zuschauer zwischendurch Ruhe, etwas Luft zum Atmen gönnen. SUPER 30 zieht einen aber von der ersten bis zur letzten Minute unaufhörlich mit.

SUPER 30 ist vor allem ein Film über einen Lehrer und seine Schüler, die unbestreitbar intelligent sind, Wissen haben, das Lernen lieben, aber angesichts ihrer armen Herkunft zunächst mit Sperren im Kopf herumlaufen, weil sie ihre Position in der Klassengesellschaft verinnerlicht haben. Das Betreten des ITTs stellen sie sich vor als Spießrutenlaufen zwischen feinen, gut gekleideten, des Englischen fließend mächtigen Studenten. Daher besteht die Hauptaufgabe von Anand Kumar darin, ihre Köpfe frei zu machen für all die Prüfungsfragen bezüglich Logik und Zusammenhängen. Der Film zeigt sehr schön, dass er mehr als Wissen in sie hineinprügelt, dass alles vornehmlich eine Bewusstseinssache ist. Da kann er auch grausam sein, wie bei der peinlichen Schüler-Aufführung auf Englisch, bei der die Reichen sich kringelig lachen, was dann aber in ein selbstbewusstes, rhythmusbetontes Lied mündet. Ich habe mir mal die Prüfungen der letzten Jahre angeguckt und aus Spaß zwei Aufgaben in der Originalsprache Englisch herausgesucht. Wie man sieht, kann man mit den Fragen auch als Nicht-Naturwissenschaftler einiges an Gehirnjogging-Spaß haben:
1. Beispiel:
The Buddha said, “Holding on to anger is like grasping a hot coal with the intent of throwing it at someone else; you are the one who gets burnt.

Select the word below which is closest in meaning to the word underlined above.

(A)burning (B)igniting (C)clutching (D)flinging“
2. Beispiel
Among 150 faculty members in an institute, 55 are connected with each other through Facebook® and 85 are connected through WhatsApp®. 30 faculty members do not have Facebook® or WhatsApp® accounts. The number of faculty members connected only through Facebook® accounts is ______________.

(A)35 (B)45 (C)65 (D)90 

Was man übrigens nicht vergessen darf, ist, dass der Film als Rückblende erzählt wird. Einer von Kumars Schülern spricht Jahre später als erfolgreicher Wissenschaftler vor einem großen Auditorium. Und es ist bezeichnend, dass er ganz individuell von der Verbesserung der Lebensumstände seiner eigenen Familie spricht, was sich dann über Generationen hält. Das ist ein bisschen ironisch, denn wenn man erst einmal oben ist, profitiert man von dem, wogegen man als Armer gekämpft hat. Es ist also kein Film gegen die Klassengesellschaft oder für ein anderes System. Auch wenn sich durch den Aufstieg von Menschen niedriger sozialer Herkunft in die Elite von ganz alleine zumindest ein bisschen innerhalb des Systems ändert.

Es geht in SUPER 30 darum, dass jeder nach seinen Fähigkeiten leben kann. Und wenn jemand brillant und von Mathematik besessen ist, soll er das auch ein ganzes Leben lang machen dürfen. Das System, das mehrmals als "feudalistisch" bezeichnet wird, muss also durchlässig sein, was nicht von jedem gewünscht wird. Daher gibt es einen Klassenkampf im Film. Und zwar wird er von oben mit aller Härte initiiert und geführt. Das bietet Roshan Gelegenheit, seine Hero-Qualitäten im Kampf gegen das Böse unter Beweis zu stellen. Da gibt es das wirklich entlarvende Porträt eines indischen Provinzpolitikers, der sich in das einträgliche Nest des groß organisierten Nachhilfeunterrichts gesetzt hat. Und Kumar gefährdet seine Henne mit den goldenen Eiern. Außerdem geht es natürlich ums Prinzip. Jeder Studienplatz für einen Armen ist einer weniger für einen Reichen.

Donnerstag, 4. Juli 2019

Anubhav Sinhas ARTICLE 15 – Der Sumpf der Ausbeutung

Der Regisseur von ARTICLE 15 (2019) ist Anubhav Sinha, aber viele schreiben den Film gerne dem Hauptdarsteller zu, sodass von „Ayushmann Khurranas ARTICLE 15“ die Rede. Und natürlich ist er, wie ja eigentlich immer, perfekt, diesmal als sehr ruhiger, zwischendurch zweifelnder, aber im Endeffekt unerschütterlicher Polizeioffizier, der in die tiefste Provinz von Uttar Pradesh abkommandiert wird und gleich auf einen Mordfall stößt, den man schnellstens vertuschen will und daher gleich für zwei unschuldige Täter sorgt. Dabei ist es natürlich nicht irgendeine schauspielerische Leistung alleine, denn so was reicht nicht aus für einen Film. Es liegt daran, dass alles sehr schön aufeinander abgestimmt ist. Es gibt eine Einheit aus Hauptfigur, Handlung und Atmosphäre.

ARTICLE 15 ist ein ruhiger Film, der, und das ist das Interessanteste, ganz und gar auf die üblichen Spannungsmomente verzichtet, sodass die Erwartungen, die man als Zuschauer so standardmäßig hat, direkt unterlaufen werden, ohne dass es frustriert. Es ist mir auch erst hinterher aufgefallen. So wird beispielsweise immer wieder betont, wie gefährlich die Ermittlungen wären, aber der Held ist nicht ein einziges Mal wirklich in Lebensgefahr. Es gibt zwar einen Brandanschlag auf einen Polizeiwagen, aber der war nur eine kalkulierte Warnung, bei der niemand zu Schaden kommen sollte. Es fehlt sogar der charismatische Bösewicht. Das Böse ist hier ganz alltäglich. Dadurch kann man es als Zuschauer schwerer von sich selbst wegschieben.

Das Böse scheint eher in der ganzen Umgebung zu herrschen. Und da macht der Film Anleihen beim amerikanischen Thriller des US-Südens, Southern Gothic genannt. Die erste Staffel von TRUE DETECTIVE (2014) dürfte das bekannteste Beispiel der letzten Jahre sein. Man könnte auch an die ländlichen Thriller aus Korea, wie Bon Joon-hos MEMORIES OF MURDER (2003), denken, wo nichts furchteinflößender wirkt als die weiten, im Sonnenlicht strahlenden Getreidefelder. Das alles ist immer auch ein bisschen metaphorisch. Das Grauen unter der schönen Oberfläche. Oder der Sumpf des Verbrechens, der menschlichen Abgründe, als hätte Gott dies alles bedeutungsvoll in die Landschaft hinein skulptiert. 

Da ist die düster-schöne Atmosphäre aus gelb-blau-grünlichem Halbdunkel, wo alles zur Silhouette wird und darüber hängt im Gegenlicht der Nebel. Im Gegenlicht hängen auch die beiden Kinder, die irgend jemand nach mehrmaliger Vergewaltigung öffentlich zur Schau gestellt hat. Da ist der große, weite Sumpf, durch den die Suchtrupps auf der Suche nach einem dritten Kind waten müssen, um auf eine Insel zu gelangen. Überall scheint eine geheimnisvolle Bedrohung zu lauern. Und vor allem ist da der einsame Ermittler mit dem besonderen Einfühlungsvermögen, der telepathisch zu sehen, zu spüren scheint, was an einem Tatort, oder einem vermeintlichen Tatort, geschehen ist.

Aber in dieser sehr internationalen Ästhetik und Dramaturgie existieren sehr indische Probleme. Das allererste Bild zeigt zwei schreiende, verängstigte Mädchen in einem Bus. Die Opfer sind zwei Dalit-Mädchen und bei der Tätersuche kommt man immer näher an einen einflussreichen Mann, einen ausbeuterischen Unternehmer, denn in ARTICLE 15 wirkt es, als seien die religiösen Vorurteile, die man gegenüber Unberührbaren hat, heutzutage nur noch ein Vorwand sind, um eine ökonomische Ausbeutung fortzusetzen, um eine Klasse an Menschen zu haben, die sehr billig sehr dreckige und sehr gesundheitsschädliche Arbeit ausführen. In einer Szene sieht man einen Arbeiter einen Straßenabfluss reinigen. Ohne jeden Körperschutz taucht er hinab in die kackbraune Brühe. 

Aber durch einen Streik sind sie andererseits in der Lage, das gesamte zivile Leben lahmzulegen. Vereinigt sind sie stark. Das ist eine theoretische Macht, die für die Herrschenden unangenehm werden kann. Also kommen Brahmanen-Politiker und verbrüdern sich, essen gemeinsam, um die Wählerstimmen abzugraben und die Situation zu befrieden. Und natürlich tut der Film nicht so, als hätte sich gar nichts geändert in den letzten Jahrzehnten. Und es gibt ja auch Artikel 15 in der indischen Verfassung, der das „Verbot der Diskriminierung aus Gründen der Religion, der Rasse, der Kaste, des Geschlechts oder des Geburtsorts“ festlegt. Aber es ist eben nicht so, als gäbe es das Problem nicht mehr, wie manche gerne glauben machen wollen.

Ganz nebenbei hat der Film einige wirklich komische Szenen, ohne dass es angesichts des Themas unpassend wirkt. Der beste Moment ist aus dem Leben gegriffen: Ganz gegen das Gesetz befragt einmal der Befehlshabende seine Untergebenen nach ihrer Kaste und wer dann über oder wer unter wem steht. Das ist eine absurd-komisch Rangordnungs-Gleichung, die da aufkommt. So tritt das ganze Gewirr eines komplizierten, kaum durchschaubaren Hierarchiegeflechts zutage, dass durch diese alltägliche Diskussion seine Absurdität offenbart. Ein System, was ursprünglich jedem einen zu ihm passenden Platz in der Gesellschaft gab, und nicht auf Geburt beruhte. Um Paramahansa Yogananda zu zitieren: „Das Kastensystem bedeutete ursprünglich keinen erblichen Stand, sondern eine Einstufung gemäß den natürlichen Fähigkeiten des Menschen.“ Irgendwann wurde es zu einem starren, vererblichen Herrschaftssystem. Aber diese erwähnte Szene ist ein gutes Beispiel dafür, wie die Kasten-Thematik in den Film integriert wird, ohne dass es öde didaktisch wird.

Da mir übrigens nicht viele populäre Filme über dieses Thema einfallen, und anderen vielleicht auch nicht, will ich mal zwei Klassiker empfehlen, interessanterweise beide von Bengalen mit zwei allerdings grundverschiedenen Ansätzen. Der eine ist der bengalische Film ERLÖSUNG (SADGATI) von Satyajit Ray, den er 1981 für den staatlichen Sender Doordarshan drehte. Om Puri und Smita Patil spielen ein Dalit-Ehepaar, das die Hochzeit der Tochter organisieren und daher einen günstigen Termin genannt haben will. Doch der zuständige Brahmanen-Priester lässt den Mann erst einmal eine unmögliche, physisch viel zu anstrengende Arbeit ausführen, bei der er stirbt. 

Wesentlich poetischer, wenn auch zwischendurch voller psychischer Grausamkeit, ist Bimal Roys SUJATA (1959) mit Sunil Dutt und Nutan. Hier wird von einem Ehepaar ein Dalit-Baby adoptiert, was allerdings schwierig wird, als diese älter wird und in das heiratsfähige Alter kommt. Eine vorurteilsvolle Tante – Lalita Pawar in einer ihrer bewundernswert grässlichen Rollen – macht das Ganze noch schlimmer. Bimal Roy mischt dieses gesellschaftliche Drama mit Märchenhaftem, da er die besondere Nähe des Dalit-Mädchens zur Natur betont, wodurch er aus ihr eine Art Prinzessin macht. Sunil Dutt als junger Mann, der sich in sie verliebt, ist der Einzige, der das erkennt.

Übrigens wirkt ARTICLE 15 auch ein bisschen wie ein autobiografischer Film über die Karriere des Regisseurs, der ja nicht gerade mit kontroversen Stoffen begonnen hat. Denn der Polizeioffizier des Films hat eine Freundin, zu der er ein etwas gespanntes Verhältnis hat, denn sie ist politische Aktivistin, während er sie zwar theoretisch unterstützt, aber selbst nicht sicher ist, ob er diese Absolutheit in seinem Leben will. Doch schließlich entscheidet er sich fürs Engagement und verbeißt sich in den Fall, kämpft unter Inkaufnahme persönlicher Schwierigkeiten auch gegen höchste bürokratische Widerstände an. Irgendwie spiegelt sich dieses Zögern in der Karriere des Regisseurs und Produzenten Anubav Sinha wieder. 

Sein bekanntester Film ist RA.ONE (2011), ganz amüsant, aber beileibe nicht der beste SRK-Film. Kein Wunder, dass ich den Regisseur damals gar nicht wahrgenommen habe. Oder er hat mit TATHASTU (2006) das eher fade Remake des Nick-Cassavetes-Films JOHN Q (2002) gedreht. Einen echt politischen Filme hat er dann 2014 zunächst nur produziert: GULAAB GANG, einen Feminismus-Film mit Madhuri Dixit und Juhi Chawla. Erst sein letzter Film war echt engagiert. MULK (2018) mit Rishi Kapoor und Taapsee Pannu über die Verfolgung einer unschuldigen moslemischen Familie, von denen ein Mitglied einen Terroranschlag verübt hat. Und jetzt eben ARTICLE 15. MULK habe ich leider nicht gesehen, aber bei ARTICLE 15 hat man das Gefühl, dass die kontroversen Themen kreative Energie freigesetzt haben. Ich bin gespannt auf die nächsten Filme.