URI – THE SURGICAL
STRIKE (2019), international auch einfach LETHAL STRIKE betitelt,
endet, wie er beginnt, mit dem erfolgreichen Einsatz von
Spezialeinheiten der indischen Armee gegen Terroristen, von denen
keiner übrigbleibt. Dennoch handelt es sich hier um alles andere als
einen reinen Kriegs-Action-Film. URI ist ein Armeefilm, ein
Soldatenfilm, ein Familienfilm. Andererseits ein auf Tatsachen
beruhender Politfilm über einen vermeintlichen Politikwechsel, den
der Film mit der Bezeichnung „Das neue Indien“ feiert.
Der erste Teil des Film
zeigt zunächst den bewaffneten Hinterhalt von östlichen Separatisten am 4. Juni
2015 gegen einen Militärkonvoi, bei dem 18 indische Soldaten
starben. Es kam einige Tage später zu einer Vergeltungsaktion an der
Grenze Indien-Myanmar, wobei die Diskussion über einen
Grenzübertritt hinein in das Gebiet Myanmars im Film keine Rolle
spielt, obwohl es Streitigkeiten zwischen den beiden Regierungen gab
und die Terroristen auch noch Propaganda verbreiteten, es habe
überhaupt keine Tote gegeben. Im Film geht aber alles erfolgreich
und mit absoluter Perfektion vonstatten. Und das ist nicht zuletzt
dem diensthabenden Offizier dieser Aktion zu verdanken, der von Vicky
Kaushal verkörperten Identifikationsfigur. Der will anschließend
den Dienst quittieren, um noch so lange bei der an Alzheimer
erkrankten Mutter zu sein, wie sie ihn erkennt. Ein Modi-Doppelgänger
ermahnt ihn, dass Mutter Indien noch wichtiger ist, dass er bei der
Armee bleiben soll und daher erst einmal einen Ziviljob in Familienähe bekomme.
Und jetzt erst beginnt
der zweite und wichtigste Teil des Films: Am 18.9.2016 üben vier
schwer bewaffnete Terroristen einen Angriff auf ein Armeecamp in der
Nähe von Uri, in Jammu und Kaschmir, aus und töten 17
Armeeangehörige. Und erst nachdem der Film dieses Geschehen
rekonstruiert hat, erscheint der Titel URI und gibt es einen
Vorspann. Nach 45 Minuten. Ein eher seltener Kunstgriff. Die
eigentliche Geschichte erzählt detailliert von der Vorbereitung und
Durchführung der Einsätze gegen verschiedene Terrorzentren auf
pakistanischem Boden. In der Fiktion wird alles aufgrund von
Recherche rekonstruiert und vor allem mit filmdichterischer Freiheit
so konstruiert, dass alle Einwände gegen die offizielle indische Darstellung
unbegründet scheinen und somit hinfällig werden können. Eine fürs
Radar unsichtbare Drohne, die fliegt wie ein Vogel, wird da erfunden,
um das ungewöhnlich tiefe Eindringen in pakistanisches Gebiet zu
erklären. Gebaut wird sie von einem Praktikanten, völlig neben der
offiziellen Forschung. Für alles gibt es eine Erklärung. Das,
worüber es für Außenstehende keine eindeutige Faktenlage geben
kann, wird in URI zu einem makellosen Angriff mit unzähligen Toten
bei den Terroristen und mit keinem einzigen Toten bei den indischen
Spezialeinheiten.
Und genau das scheint mir der
Hauptgrund dafür zu sein, dass Aditya Dhars Regiedebüt einer der
erfolgreichsten indischen Filme des letzten Jahres war. Dass es ein
patriotischer Soldatenfilm ist, ein spannend inszenierter
Politthriller hat vermutlich nicht so sehr den Ausschlag gegeben wie
diese konstruierte Perfektion. Nicht mal, dass er technisch einwandfrei und vor allem am Ende sehr intensiv inszeniert ist, scheint als
Erklärung ausreichend. URI verwandelt die Unsicherheit des Krieges
und der Diplomatie in Wahrheit und Perfektion. Ein Film, mit dem man
sich sicherer fühlt. URI erzählt also nicht nur von Politik, er ist
selbst aktiv Politik gestaltend, denn es ist unausweichlich, dass
diese fiktiven Bilder sich als tatsächliche Darstellung des
Geschehens in den Köpfen einnisten. Dazu kommt die Beschwörung
eines „Neuen Indiens“, das jetzt zu Außenaggression fähig ist
und auf die mörderischen Nadelstiche aus einem dysfunktionalen
Pakistan und seiner Marionettenterroristen adäquat reagieren wird.
Das zumindest ist die Botschaft des Films.
Irgendwie passt dies
alles ja auch zur Ironie der Entstehungsgeschichte des Films.
Regisseur Aditya Dhar hatte eigentlich an einem Film mit dem in
Bollywood erfolgreichen Pakistan-Star Fawad Khan gearbeitet, als die
Uri-Terroranschläge zu einem Arbeitsverbot pakistanischer Künstler
führten. Und durch Dhars immer intensivere Beschäftigung mit diesen
Anschlägen und danach den Armeeeinsätzen gegen die Terroristen
wurde dann eben ein ganzer Film, der somit wie die präzise
Vergeltung für die Ermordung eines anderen Films wirkt.