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Mittwoch, 13. Mai 2020

URI – THE SURGICAL STRIKE – Das neue Indien


URI – THE SURGICAL STRIKE (2019), international auch einfach LETHAL STRIKE betitelt, endet, wie er beginnt, mit dem erfolgreichen Einsatz von Spezialeinheiten der indischen Armee gegen Terroristen, von denen keiner übrigbleibt. Dennoch handelt es sich hier um alles andere als einen reinen Kriegs-Action-Film. URI ist ein Armeefilm, ein Soldatenfilm, ein Familienfilm. Andererseits ein auf Tatsachen beruhender Politfilm über einen vermeintlichen Politikwechsel, den der Film mit der Bezeichnung „Das neue Indien“ feiert.

Der erste Teil des Film zeigt zunächst den bewaffneten Hinterhalt von östlichen Separatisten am 4. Juni 2015 gegen einen Militärkonvoi, bei dem 18 indische Soldaten starben. Es kam einige Tage später zu einer Vergeltungsaktion an der Grenze Indien-Myanmar, wobei die Diskussion über einen Grenzübertritt hinein in das Gebiet Myanmars im Film keine Rolle spielt, obwohl es Streitigkeiten zwischen den beiden Regierungen gab und die Terroristen auch noch Propaganda verbreiteten, es habe überhaupt keine Tote gegeben. Im Film geht aber alles erfolgreich und mit absoluter Perfektion vonstatten. Und das ist nicht zuletzt dem diensthabenden Offizier dieser Aktion zu verdanken, der von Vicky Kaushal verkörperten Identifikationsfigur. Der will anschließend den Dienst quittieren, um noch so lange bei der an Alzheimer erkrankten Mutter zu sein, wie sie ihn erkennt. Ein Modi-Doppelgänger ermahnt ihn, dass Mutter Indien noch wichtiger ist, dass er bei der Armee bleiben soll und daher erst einmal einen Ziviljob in Familienähe bekomme.

Und jetzt erst beginnt der zweite und wichtigste Teil des Films: Am 18.9.2016 üben vier schwer bewaffnete Terroristen einen Angriff auf ein Armeecamp in der Nähe von Uri, in Jammu und Kaschmir, aus und töten 17 Armeeangehörige. Und erst nachdem der Film dieses Geschehen rekonstruiert hat, erscheint der Titel URI und gibt es einen Vorspann. Nach 45 Minuten. Ein eher seltener Kunstgriff. Die eigentliche Geschichte erzählt detailliert von der Vorbereitung und Durchführung der Einsätze gegen verschiedene Terrorzentren auf pakistanischem Boden. In der Fiktion wird alles aufgrund von Recherche rekonstruiert und vor allem mit filmdichterischer Freiheit so konstruiert, dass alle Einwände gegen die offizielle indische Darstellung unbegründet scheinen und somit hinfällig werden können. Eine fürs Radar unsichtbare Drohne, die fliegt wie ein Vogel, wird da erfunden, um das ungewöhnlich tiefe Eindringen in pakistanisches Gebiet zu erklären. Gebaut wird sie von einem Praktikanten, völlig neben der offiziellen Forschung. Für alles gibt es eine Erklärung. Das, worüber es für Außenstehende keine eindeutige Faktenlage geben kann, wird in URI zu einem makellosen Angriff mit unzähligen Toten bei den Terroristen und mit keinem einzigen Toten bei den indischen Spezialeinheiten.

Und genau das scheint mir der Hauptgrund dafür zu sein, dass Aditya Dhars Regiedebüt einer der erfolgreichsten indischen Filme des letzten Jahres war. Dass es ein patriotischer Soldatenfilm ist, ein spannend inszenierter Politthriller hat vermutlich nicht so sehr den Ausschlag gegeben wie diese konstruierte Perfektion. Nicht mal, dass er technisch einwandfrei und vor allem am Ende sehr intensiv inszeniert ist, scheint als Erklärung ausreichend. URI verwandelt die Unsicherheit des Krieges und der Diplomatie in Wahrheit und Perfektion. Ein Film, mit dem man sich sicherer fühlt. URI erzählt also nicht nur von Politik, er ist selbst aktiv Politik gestaltend, denn es ist unausweichlich, dass diese fiktiven Bilder sich als tatsächliche Darstellung des Geschehens in den Köpfen einnisten. Dazu kommt die Beschwörung eines „Neuen Indiens“, das jetzt zu Außenaggression fähig ist und auf die mörderischen Nadelstiche aus einem dysfunktionalen Pakistan und seiner Marionettenterroristen adäquat reagieren wird. Das zumindest ist die Botschaft des Films.

Irgendwie passt dies alles ja auch zur Ironie der Entstehungsgeschichte des Films. Regisseur Aditya Dhar hatte eigentlich an einem Film mit dem in Bollywood erfolgreichen Pakistan-Star Fawad Khan gearbeitet, als die Uri-Terroranschläge zu einem Arbeitsverbot pakistanischer Künstler führten. Und durch Dhars immer intensivere Beschäftigung mit diesen Anschlägen und danach den Armeeeinsätzen gegen die Terroristen wurde dann eben ein ganzer Film, der somit wie die präzise Vergeltung für die Ermordung eines anderen Films wirkt.