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Donnerstag, 30. Januar 2020

Ajay Devgn in TANHAJI – Martialische Worte

TANHAJI – THE UNSUNG WARRIOR (2020) von Regisseur Om Raut mit Ajay Devgn in der Titelrolle ist ein erfolgreicher Film. Allerdings sind die Gründe für den Erfolg nicht hauptsächlich filmischer Natur. Um das festzustellen, muss man den Film eigentlich nicht einmal gesehen haben. Die nüchternen Zahlen sagen dies schon. Die Business-Seite livemint meldete am 20. Januar, dass 50% des Einspielergebnisses aus dem Bundesstaat Maharashtra stammt. Und wenn man in einer IMDb-Rezension lesen kann, dass ein Zuschauer „eine Gänsehaut“ verspürte, als er zum ersten Mal in der Geschichte des Weltkinos Shivaji, den Begründer des großen Maratha-Reiches, im Kino sah, dann wird klar, dass es hier nicht vorwiegend um Ästhetik oder Spannung, sondern um Politik, emotionalen Nationalismus, für die Gegenwart ideologisch genutzte Vergangenheit geht.

Ganz vertrauenerweckend wird im Vorspann denn auch ein beratender Experte zu dem Thema genannt. Damit kann man einerseits natürlich möglichen Gegnern den Wind aus den Segeln nehmen. Es ist aber auch ein Deckmantel, denn selbst wenn die Eckdaten und grundsätzlichen Fakten allesamt korrekt sind, hat man es hier doch in jeder Hinsicht mehr mit Spektakel zu tun als mit ernsthaftem Historienfilm. Schon gleich zu Anfang sieht man Devgn an Tauen durch die hohen bergig zerklüfteten Lüfte fliegen, um den Gegner zu überraschen.

Der Film schildert Ereignisse, die in die Schlacht von Sinhagard am 4. Februar 1670 mündeten. Konkret trafen hier der Maratha-Heerführer Tanaji Malusare (1600-1670) auf den Mughal-Heerführer Udaybhan Singh Rathore. Diese waren jeweils Shivaji (1630-1680) und Großmogul Aurangzeb unterstellt. Die beiden Kontrahenten werden dargestellt von Ajay Devgn und Saif Ali Khan, würdiger Held trifft hier auf sadistische Giftspinne. Sie bringen Leben in den Film. Shivaji selbst bleibt ein wenig im Hintergrund und seine Darstellung geschieht ganz offensichtlich mit der höchsten Vorsicht, um ja auch niemanden zu verärgern. Er ist die leibhaftige heilige Perfektion und bleibt gerade dadurch etwas blass.

Es wirkt, als hätte sich in Indien dauerhaft etwas geändert, wenn man einige der Historienfilme der letzten Jahre nimmt. Über Jahrzehnte wurden in Bombay und später Mumbai Mogulzeit-Filme gedreht, in der immer die Toleranz der Herrscher über ein geeintes Indien betont wurde. Jetzt wird vor allem die Tatsache der feindlichen Invasion und Fremdherrschaft hervorgehoben. Der Ursprung des freien, unabhängigen Indien liegt jetzt hier in Maharashtra, Ausgangspunkt des alten Maratha-Reiches. Es wäre bloß schön, wenn die Begeisterung sich mehr auf Filme wie Gowarikers PANIPAT (2020) konzentrieren würde. TANHAJI ist primitiver, anbiedernder und voll heroisch-martialischer Sprüche, die männliche Heldenbrüste anschwellen lässt, selbst wenn sie träge mit Popcorn und Cola im Kino sitzen.

Und solche Emotionen können dann auch den Blick auf die Wirklichkeit verstellen. Was ich am erstaunlichsten finde, ist, wie das Visuelle des Films vielerorts gepriesen wird, wo doch alles aussieht wie ein mittelmäßiges Computerspiel. Die ganze digitale visuelle Gestaltung ist misslungen. Da wünsch ich mir die authentischen Pappkulissen von früher zurück. Nichts davon wirkt auch nur im Entferntesten echt, vor allem nicht die Tiere. Man will offensichtlich alles zeigen, Spektakel sein, ohne wirklich die Mittel oder die Fähigkeiten dazu zu haben

In einem Film sind es oft ganz bestimmte einzelne Szenen, die plötzlich wie ein Tor in die Gedankenwelt eines Films und ihrer Macher sind, mal im Guten, mal im Schlechten, so wie leider hier. Da ist beispielsweise die Geschichte mit der entführten Prinzessinen-Witwe: Der Bösewicht ist mit einem adligen Geschwisterpaar groß geworden. Als er in der Vergangenheit der Prinzessin sagte, dass er sie heiraten wollte, lachte sie ihn aus, seine Mutter sei doch nur Dienerin, auch wenn er Sohn eines Ministers sei. Daraufhin bringt er seine Mutter um und wird restlos böse. Ansonsten hat die Szene keine Verbindung mit dem Rest der Geschichte. Es ist ein seltsamer Versuch, psychologische Tiefe hineinzubekommen, aber nur in einer Szene, während der Rest ungestört weiter läuft. Eigentlich wirkt es sogar so, dass der Film sich mit der Position der Prinzessin identifiziert.

Ein anderes Beispiel betrifft eine Hinrichtung. Mehrere Männer stehen mit Stricken um den Hals da und warten auf den Tod. Da bekommt der Bösewicht die Nachricht, dass die Prinzessin ihn endlich heiraten will, was allerdings eine Finte ist. Auf jeden Fall reißt er jubelnd den Arm hoch. Die Henker nehmen es als Signal und die Männer baumeln tot in der Luft. Das kommt aber nicht tragisch oder grausam rüber, sondern ganz einfach komödiantisch. Da lachten auch die Kinder im Kino, die irgendwo in der Nähe saßen. Ist das zynisch oder dilettantisch? Beides wohl, auf jeden Fall offenbart es eine totale Gleichgültigkeit und Emotionslosigkeit.

Was noch erwähnt werden sollte, ist eine Qualität des Films, vor allem in den Schlachten. Denn es herrscht immer wieder eine gewisse primitive Energie vor, getragen vor allem von den beiden Hauptdarstellern, aber angesichts des ernsten Themas mit seinen politischen Implikationen verbot sich wohl leider der Übergang zum echten, wilden, blutigen B-Trash, für den der Regisseur sich offensichtlich doch viel besser eignen würde. Besonders der Endkampf von Ajay und Saif ist gelungen. Saif Ali Khan kann überhaupt unter wilder Mähne und Vollbart ganz schön sardonisch grinsen. Aber das hat nicht genug Bedeutung innerhalb des großen Ganzen. Man wird einfach den selbst gesteckten grandiosen Ansprüchen nicht gerecht. Übrigens gibt es während des Nachspanns noch einen Song zu Kajol in vielen Großaufnahmen. Wie als Wiedergutmachung für die ansonsten banale Hausfrauenrolle, die sie neben ihrem Göttergatten spielt.