Der südindische AVANE
SRIMANNARAYANA (2019) war genau der richtige Film, um kinoindisch ins
neue Jahr zu kommen. Ganz einfach unkompliziertes überdrehtes Kino-Masala. Um es europäisch zu sagen: Wenn der Terence Hill
der 70er heute einen indischen Unterhaltungsfilm drehen würde, dann
sähe er wohl in etwa aus wie AVANE SRIMANNARAYANA, inszeniert von
Regiedebütant Sachin Ravi, der bisher als Cutter gearbeitet hat. Denn
ein bisschen Western gibt es in diesem im nostalgischen Vintage-Land angesiedelten Film auch, nicht nur durch die weite,
wüstenartige Landschaft, sondern so richtig mit Saloon und Bier und
Zielschießen und einem Besitzer namens Cowboy Krishna, einem Fan der
Cowboy-Kultur. Der wird wortlos gespielt von Rishab Shetty, und diese
Figur kam sofort beim Publikum so gut an, dass jetzt ein eigener Film
für sie geplant wird. Dann vielleicht auch sogar mit ein bisschen echter
passender indischer Country-Musik, mehr als das bisschen Imitation
von Morricone-Leone-Sounds wie in AVANE SRIMANNARAYANA.
AVANE SRIMANNARAYANA wird
wegen seiner technischen Dimensionen als Großtat des
Kannada-sprachigen Kinos gefeiert. Und tatsächlich muss er sich er
sich schon rein visuell vor den Konkurrenten der benachbarten und größeren
Tamil- oder Telugu-Industrien nicht verstecken. Zwar könnte ich
jetzt an Schwächen des Films hängen bleiben, aber wozu, wen
interessiert's? Erstens ist das alles viel zu sympathisch. Und
zweitens erfüllt der Film punktgenau seinen Zweck als Massenentertainer. Und
dabei bleibt der Film immer entspannt, versucht stilistisch nichts zu
erzwingen, was sehr angenehm wirkt, wodurch man selbst ganz entspannt seinen
Spaß hat. Masala-Film, das bedeutet ja vor allem viele Ideen und ein
Gefühl der schwerelosen Freiheit von dramaturgischen und oft auch
logischen Zwängen. Nur in wichtigen Schlüsselszenen werden auch
hier alle Mittel wie schnelle Schnitte und digitale Tricks
aufgefahren. Das sollten sich die Masala-Dilettanten, die pausenlos
mit tausend nervigen Mitteln den Zuschauer wirkungsmäßig auswringen
wollen wie eine Zitrone, ein Beispiel dran nehmen. Ja, SAAHO, ich
rede auch von dir.
Handlung gibt es wie
immer irgendwie auch: Im Prinzip geht es um eine Schatzsuche nach
geraubtem Gold aus Regierungsbesitz, und alles ist ein ständiges Hin
und Her zwischen den einzelnen Personen und Personengruppen. Die
Täter waren einst die Mitglieder einer Theatertruppe, die dem Chef eines Banditenclans
zuvorgekommen sind, der sie deshalb beleidigt erschießen ließ. Dazu kommt eine Rahmenhandlung um zwei Söhne dieses Killers, dem Streit zwischen ehelichem und unehelichem
Sohn, dem Streit um die Nachfolge. Dazu kommt noch ein riesiger
Haufen mythologischer Anspielungen, die aber zum größten Teil schön
verständlich erklärt werden. Also können auch die, die nicht so
epenfest sind, geistig mithalten. Von mir aus hätten es ruhig ein
paar Musiknummern mehr dabei sein können. Am einfallsreichsten und
nettesten ist ein Lied im Wald, mit einer großen tanzenden
Theatertruppe in mythologischen Kostümen.
Rakshit Shetty gibt mit verdrehtem Charme den
schurkigen Scheriff, der auch gleichzeitig ein bisschen schusselig
ist, wenn er schon mal die Bodyguards statt der Banditen verhaftet.
Aber durch eine Frau kann auch der fürchterlichste Mann zum Guten
gezähmt werden. Und solch eine Frau gibt es hier auch, natürlich
erst mal als emanzipierte Schimpfdame, die dem Scheriff dauernd
Beschwerden über seine eigenen Versäumnisse diktieren will. Dabei
muss man nur nett zu ihm sein und ihm täglich Tee bringen lassen,
damit er wie vorgeschrieben funktioniert. Aber dieser Hero schwankt
ja noch. Ständig biegt sich sein Oberkörper zur Seite, rechts,
links, beugt sich vor, zurück. Ob das jetzt ein amüsanter
Hero-Manierismus ist oder eine tiefgründige Metapher für die
moralische Unentschlossenheit der Hauptfigur zwischen Gut und Böse darstellt,
schwer zu sagen. Nehmen wir einfach mal an, beides.