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Dienstag, 7. Januar 2020

AVANE SRIMANNARAYANA – Schatzsuche mit Cowboy Krishna

Der südindische AVANE SRIMANNARAYANA (2019) war genau der richtige Film, um kinoindisch ins neue Jahr zu kommen. Ganz einfach unkompliziertes überdrehtes Kino-Masala. Um es europäisch zu sagen: Wenn der Terence Hill der 70er heute einen indischen Unterhaltungsfilm drehen würde, dann sähe er wohl in etwa aus wie AVANE SRIMANNARAYANA, inszeniert von Regiedebütant Sachin Ravi, der bisher als Cutter gearbeitet hat. Denn ein bisschen Western gibt es in diesem im nostalgischen Vintage-Land angesiedelten Film auch, nicht nur durch die weite, wüstenartige Landschaft, sondern so richtig mit Saloon und Bier und Zielschießen und einem Besitzer namens Cowboy Krishna, einem Fan der Cowboy-Kultur. Der wird wortlos gespielt von Rishab Shetty, und diese Figur kam sofort beim Publikum so gut an, dass jetzt ein eigener Film für sie geplant wird. Dann vielleicht auch sogar mit ein bisschen echter passender indischer Country-Musik, mehr als das bisschen Imitation von Morricone-Leone-Sounds wie in AVANE SRIMANNARAYANA.

AVANE SRIMANNARAYANA wird wegen seiner technischen Dimensionen als Großtat des Kannada-sprachigen Kinos gefeiert. Und tatsächlich muss er sich er sich schon rein visuell vor den Konkurrenten der benachbarten und größeren Tamil- oder Telugu-Industrien nicht verstecken. Zwar könnte ich jetzt an Schwächen des Films hängen bleiben, aber wozu, wen interessiert's? Erstens ist das alles viel zu sympathisch. Und zweitens erfüllt der Film punktgenau seinen Zweck als Massenentertainer. Und dabei bleibt der Film immer entspannt, versucht stilistisch nichts zu erzwingen, was sehr angenehm wirkt, wodurch man selbst ganz entspannt seinen Spaß hat. Masala-Film, das bedeutet ja vor allem viele Ideen und ein Gefühl der schwerelosen Freiheit von dramaturgischen und oft auch logischen Zwängen. Nur in wichtigen Schlüsselszenen werden auch hier alle Mittel wie schnelle Schnitte und digitale Tricks aufgefahren. Das sollten sich die Masala-Dilettanten, die pausenlos mit tausend nervigen Mitteln den Zuschauer wirkungsmäßig auswringen wollen wie eine Zitrone, ein Beispiel dran nehmen. Ja, SAAHO, ich rede auch von dir.

Handlung gibt es wie immer irgendwie auch: Im Prinzip geht es um eine Schatzsuche nach geraubtem Gold aus Regierungsbesitz, und alles ist ein ständiges Hin und Her zwischen den einzelnen Personen und Personengruppen. Die Täter waren einst die Mitglieder einer Theatertruppe, die dem Chef eines Banditenclans zuvorgekommen sind, der sie deshalb beleidigt erschießen ließ. Dazu kommt eine Rahmenhandlung um zwei Söhne dieses Killers, dem Streit zwischen ehelichem und unehelichem Sohn, dem Streit um die Nachfolge. Dazu kommt noch ein riesiger Haufen mythologischer Anspielungen, die aber zum größten Teil schön verständlich erklärt werden. Also können auch die, die nicht so epenfest sind, geistig mithalten. Von mir aus hätten es ruhig ein paar Musiknummern mehr dabei sein können. Am einfallsreichsten und nettesten ist ein Lied im Wald, mit einer großen tanzenden Theatertruppe in mythologischen Kostümen.

Rakshit Shetty gibt mit verdrehtem Charme den schurkigen Scheriff, der auch gleichzeitig ein bisschen schusselig ist, wenn er schon mal die Bodyguards statt der Banditen verhaftet. Aber durch eine Frau kann auch der fürchterlichste Mann zum Guten gezähmt werden. Und solch eine Frau gibt es hier auch, natürlich erst mal als emanzipierte Schimpfdame, die dem Scheriff dauernd Beschwerden über seine eigenen Versäumnisse diktieren will. Dabei muss man nur nett zu ihm sein und ihm täglich Tee bringen lassen, damit er wie vorgeschrieben funktioniert. Aber dieser Hero schwankt ja noch. Ständig biegt sich sein Oberkörper zur Seite, rechts, links, beugt sich vor, zurück. Ob das jetzt ein amüsanter Hero-Manierismus ist oder eine tiefgründige Metapher für die moralische Unentschlossenheit der Hauptfigur zwischen Gut und Böse darstellt, schwer zu sagen. Nehmen wir einfach mal an, beides.