Nach dem aufwendigen,
ordentlich unterhaltsamen, aber stellenweise etwas zu verkrampften
RANGOON (2017) wollte Regisseur Bhardwaj eigentlich ein Projekt mit
Irrfan Khan und Deepika Padukone realisieren, das aber auf Eis gelegt
wurde wegen Irrfans schwerer Erkrankung. Also nahm er sich eine
einfache Geschichte auf dem Land vor. Er wählte dazu schließlich
nach einigem Casting zwei ausgezeichnete Hauptdarstellerinnen, die aber keine kostenintensiven großen Stars sind.
PATAAKHA (2018) beruht auf einer Hindi-Kurzgeschichte von Charan
Singh Pathik, von dem, soweit ich das bis jetzt überschauen konnte,
bisher nichts ins Englische übersetzt wurde. PATAAKHA ist einer
dieser Filme, wo die Versuchung groß ist, den gesamten Inhalt einfach nur
nachzuerzählen, weil das allein schon ausreichend amüsant wäre. Was gleichzeitig natürlich nicht sehr einfallsreich wäre. Außerdem
besteht der Film aus mehr als einer äußerst hübschen Story. Er ist auch rein
formal sehr gelungen, neben einer großen Lebendigkeit ist er voller Liebe
zum Detail, mit einer Atmosphäre zwischen echtem Realismus und
erzählerischer, alles möglich machender Fantasie.
In PATAAKHA trifft Sanya
Malhotra, die Hauptdarstellerin aus dem Ringer-Film DANGAL
(2016), auf Radhika Madan, die durch eine TV-Serie bekannt wurde. Die
beiden verkörpern auf das Innerlichste und Überzeugendste zwei
Schwestern, die sich streiten und am Ende doch nicht ohne einander
leben können. Aber die beiden streiten sich nicht nur, sie prügeln
sich, und wenn schon, dann richtig. Und wenn der geplagte, allein
erziehende Vater dazwischengeht, kann es ihm im Eifer des Gefechts der beiden passieren, dass er auch einen abkriegt. Da sieht man ihn schon mal,
irgendwie wie der Papa von Astrid Lindgrens Michel, wütend mit dem
Stock hinter den beiden herlaufen, die sich verstecken und gemeinsam
nicht nach Hause trauen. Da sind sie sich dann mal einig. Aber es
geht in dem Film auch um die Verwirklichung von weiblichen
beruflichen Träumen angesichts von finanziellen und familiären
Zwängen. Daher versuchen sie sich zu befreien, aber so leicht wird
man die unsichtbaren, aber deswegen nicht weniger fesselnden Familienbande nicht los. Und manchmal will das
Schicksal es doch anders.
Oft scheint dieser
schöne, witzige, dramatische, wilde, bunte Film ins Melodrama, ins
Tragische abzudriften, dann aber nimmt die Story doch immer wieder
die Wendung ins Komische. Viel Ironie ist dabei. Ich nehme mal ganz
dreist an, dass dieser Ton, diese Stimmungen schon in der Vorlage
angelegt sind. Für mich ist PATAAKHA der schönste und
unterhaltsamste indische Film über den Alltag auf dem Land seit
WELCOME TO SAJJANPUR (2008) von Shyam Benegal. Wobei man MATRU KI
BIJLEE KA MANDOLA (2013), die andere ländliche Komödie von Bhardwaj,
nicht vergessen darf, wo er Bertolt Brechts „Puntila und sein
Knecht Matti“ nach Indien verlegt hat, und der auch einen
entsprechenden skurrilen und absurden Klassenkampf-Humor hat, bei dem
richtig viel gesoffen wird.
Aber auch PATAAKHA soll mehr sein als reine soziale Komödie. Der Film hat eine weitere, allgemeinere Bedeutung. Der Kampf der Schwestern ist ein Kommentar zu dem scheinbar ewigen und oft so sinnlosen Kampf zwischen Pakistan und Indien. Aber das lässt sich wirklich nur auf einer sehr allgemeinen Ebene verstehen, als eine Art zusätzliche Botschaft. Würde es nicht direkt im Film vom Erzähler gesagt, würde Bhardwaj dies in Interviews nicht ausdrücklich sagen, ich wäre ehrlich gesagt nicht von alleine darauf gekommen. Im Übrigen können diese sinnlosen Schwesternkämpfe auf alles Mögliche hin verallgemeinert oder übertragen werden, wozu der Zuschauer Lust hat. Aber ich denke, die meisten werden den Film doch vor allem sehr direkt als einfache Familiengeschichte sehen.
Aber auch PATAAKHA soll mehr sein als reine soziale Komödie. Der Film hat eine weitere, allgemeinere Bedeutung. Der Kampf der Schwestern ist ein Kommentar zu dem scheinbar ewigen und oft so sinnlosen Kampf zwischen Pakistan und Indien. Aber das lässt sich wirklich nur auf einer sehr allgemeinen Ebene verstehen, als eine Art zusätzliche Botschaft. Würde es nicht direkt im Film vom Erzähler gesagt, würde Bhardwaj dies in Interviews nicht ausdrücklich sagen, ich wäre ehrlich gesagt nicht von alleine darauf gekommen. Im Übrigen können diese sinnlosen Schwesternkämpfe auf alles Mögliche hin verallgemeinert oder übertragen werden, wozu der Zuschauer Lust hat. Aber ich denke, die meisten werden den Film doch vor allem sehr direkt als einfache Familiengeschichte sehen.
Der Film hat eine ganze Galerie
einprägsamer Nebenrollen, die allesamt mit wunderbaren Darstellern besetzt wurden. Da ist vor allem Sunil Grover als
erfindungsreicher Straßenhändler und Erzähler, der immer wieder
ins Geschehen eingreift, mal die Konflikte anfeuert, mal das
Schlimmste verhindert. Und nur ihm ist es zu verdanken, dass es auf
Dauer eine Komödie bleibt und nicht ins ernsthafte Melodrama
abdriftet. Theaterschauspieler Vijay Raaz, den man von unzähligen
Charakterrollen kennt, spielt den Vater. Gefallen hat mir neben
dem perversen Witwer, dem zwei Mal verdientermaßen die Braut
wegläuft, ganz besonders die nur kurz erscheinende Figur eines Sadhus, der
Dämonen austreiben soll, als Bezahlung eine Ziege und eine Flasche
Whiskey verlangt und von der Patientin dann verprügelt wird. Und da
in einem solchen Film natürlich alles irgendwie, den Umständen
entsprechend, gut ausgehen muss, gibt es zum Schluss ein lustiges,
ausgelassenes Holi-Lied mit der gesamten Besetzung, zu dem sich dann auch Regisseur Bhardwaj persönlich gesellt.