TANHAJI – THE
UNSUNG WARRIOR (2020) von Regisseur Om Raut mit Ajay Devgn in der
Titelrolle ist ein erfolgreicher Film. Allerdings sind die Gründe
für den Erfolg nicht hauptsächlich filmischer Natur. Um das
festzustellen, muss man den Film eigentlich nicht einmal gesehen
haben. Die nüchternen Zahlen sagen dies schon. Die Business-Seite
livemint meldete am 20. Januar, dass 50% des Einspielergebnisses aus
dem Bundesstaat Maharashtra stammt. Und wenn man in einer
IMDb-Rezension lesen kann, dass ein Zuschauer „eine Gänsehaut“
verspürte, als er zum ersten Mal in der Geschichte des Weltkinos
Shivaji, den Begründer des großen Maratha-Reiches, im Kino sah, dann wird klar, dass es hier nicht vorwiegend um Ästhetik oder
Spannung, sondern um Politik, emotionalen Nationalismus, für die
Gegenwart ideologisch genutzte Vergangenheit geht.
Ganz vertrauenerweckend
wird im Vorspann denn auch ein beratender Experte zu dem Thema
genannt. Damit kann man einerseits natürlich möglichen Gegnern den
Wind aus den Segeln nehmen. Es ist aber auch ein Deckmantel, denn
selbst wenn die Eckdaten und grundsätzlichen
Fakten allesamt korrekt sind, hat man es hier doch in jeder Hinsicht
mehr mit Spektakel zu tun als mit ernsthaftem Historienfilm. Schon
gleich zu Anfang sieht man Devgn an Tauen durch die hohen bergig
zerklüfteten Lüfte fliegen, um den Gegner zu überraschen.
Der Film schildert
Ereignisse, die in die Schlacht von Sinhagard am 4. Februar 1670
mündeten. Konkret trafen hier der Maratha-Heerführer Tanaji
Malusare (1600-1670) auf den Mughal-Heerführer Udaybhan Singh
Rathore. Diese waren jeweils Shivaji (1630-1680) und Großmogul Aurangzeb unterstellt. Die beiden
Kontrahenten werden dargestellt von Ajay Devgn und Saif Ali Khan,
würdiger Held trifft hier auf sadistische Giftspinne. Sie bringen
Leben in den Film. Shivaji selbst bleibt ein wenig im
Hintergrund und seine Darstellung geschieht ganz offensichtlich mit
der höchsten Vorsicht, um ja auch niemanden zu verärgern. Er ist
die leibhaftige heilige Perfektion und bleibt gerade dadurch etwas
blass.
Es wirkt, als hätte sich
in Indien dauerhaft etwas geändert, wenn man einige der
Historienfilme der letzten Jahre nimmt. Über Jahrzehnte wurden in
Bombay und später Mumbai Mogulzeit-Filme gedreht, in der immer die Toleranz der
Herrscher über ein geeintes Indien betont wurde. Jetzt wird vor
allem die Tatsache der feindlichen Invasion und Fremdherrschaft hervorgehoben. Der Ursprung des freien, unabhängigen Indien liegt jetzt hier in Maharashtra,
Ausgangspunkt des alten Maratha-Reiches. Es wäre bloß schön, wenn
die Begeisterung sich mehr auf Filme wie Gowarikers PANIPAT (2020)
konzentrieren würde. TANHAJI ist primitiver, anbiedernder und voll
heroisch-martialischer Sprüche, die männliche Heldenbrüste
anschwellen lässt, selbst wenn sie träge mit Popcorn und Cola im
Kino sitzen.
Und solche Emotionen
können dann auch den Blick auf die Wirklichkeit verstellen. Was ich
am erstaunlichsten finde, ist, wie das Visuelle des Films vielerorts
gepriesen wird, wo doch alles aussieht wie ein mittelmäßiges
Computerspiel. Die ganze digitale visuelle Gestaltung ist misslungen.
Da wünsch ich mir die authentischen Pappkulissen von früher zurück.
Nichts davon wirkt auch nur im Entferntesten echt, vor allem nicht
die Tiere. Man will offensichtlich alles zeigen, Spektakel sein, ohne
wirklich die Mittel oder die Fähigkeiten dazu zu haben
In einem Film sind es oft
ganz bestimmte einzelne Szenen, die plötzlich wie ein Tor in die
Gedankenwelt eines Films und ihrer Macher sind, mal im Guten, mal im
Schlechten, so wie leider hier. Da ist beispielsweise die Geschichte
mit der entführten Prinzessinen-Witwe: Der Bösewicht ist mit einem adligen
Geschwisterpaar groß geworden. Als er in der Vergangenheit der Prinzessin sagte, dass er
sie heiraten wollte, lachte sie ihn aus, seine Mutter sei doch nur
Dienerin, auch wenn er Sohn eines Ministers sei. Daraufhin bringt er
seine Mutter um und wird restlos böse. Ansonsten hat die Szene keine
Verbindung mit dem Rest der Geschichte. Es ist ein seltsamer Versuch,
psychologische Tiefe hineinzubekommen, aber nur in einer Szene,
während der Rest ungestört weiter läuft. Eigentlich wirkt es
sogar so, dass der Film sich mit der Position der Prinzessin
identifiziert.
Ein anderes Beispiel
betrifft eine Hinrichtung. Mehrere Männer stehen mit Stricken um den
Hals da und warten auf den Tod. Da bekommt der Bösewicht die
Nachricht, dass die Prinzessin ihn endlich heiraten will, was
allerdings eine Finte ist. Auf jeden Fall reißt er jubelnd den Arm
hoch. Die Henker nehmen es als Signal und die Männer baumeln tot in
der Luft. Das kommt aber nicht tragisch oder grausam rüber, sondern
ganz einfach komödiantisch. Da lachten auch die Kinder im Kino, die irgendwo in
der Nähe saßen. Ist das zynisch oder
dilettantisch? Beides wohl, auf jeden Fall offenbart es eine totale
Gleichgültigkeit und Emotionslosigkeit.
Was noch erwähnt werden sollte, ist eine Qualität des Films, vor allem in den Schlachten. Denn es herrscht
immer wieder eine gewisse primitive Energie vor, getragen vor allem von
den beiden Hauptdarstellern, aber angesichts des ernsten Themas mit
seinen politischen Implikationen verbot sich wohl leider der Übergang zum
echten, wilden, blutigen B-Trash, für den der Regisseur sich
offensichtlich doch viel besser eignen würde. Besonders der Endkampf
von Ajay und Saif ist gelungen. Saif Ali Khan kann überhaupt unter
wilder Mähne und Vollbart ganz schön sardonisch grinsen. Aber das
hat nicht genug Bedeutung innerhalb des großen Ganzen. Man wird
einfach den selbst gesteckten grandiosen Ansprüchen nicht gerecht.
Übrigens gibt es während des Nachspanns noch einen Song zu Kajol in
vielen Großaufnahmen. Wie als Wiedergutmachung für die ansonsten
banale Hausfrauenrolle, die sie neben ihrem Göttergatten spielt.